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Personal > Interview mit Tilman Bender

„Der Kampf um Topleute ist in den USA härter“

Deutsche Unternehmen bauen in den Vereinigten Staaten aus. Sie scheitern oft bei der Suche nach geeignetem Personal. Aber es gibt ein paar Kniffe.

Bildquelle: Tilmann Bender

Das Gespräch führte Thorsten Giersch.

Herr Bender, wie sieht der US-Markt für deutsche Firmen gerade aus?

Von den Niederlassungen deutscher Unternehmen in den USA hören wir fast ausnahmslos, dass die Kapazitäten gut ausgelastet sind und der Return-on-Investment sehr erfreulich ist. Aber natürlich gibt es auch Herausforderungen, allen voran im Bereich des Recruiting. Wie in Deutschland ist der Arbeitsmarkt angespannt, aber in den USA müssen Mittelständler zusätzliche Hürden überwinden.

Welche Ratschläge geben Sie Mittelständlern, um Niederlassungen auf die Erfolgsspur zu bringen?

Der Erfolg der Niederlassung ist hochgradig von der Qualität des Führungsteams abhängig. Das gilt besonders dann, wenn das Unternehmen amerikanische Kunden sucht oder bei Kernkunden Amerikaner Einkaufsentscheidungen maßgeblich mitbestimmen. Auch renommierte deutsche Unternehmen lernen oft spät, dass nur das in den USA Erreichte zählt. Spitzenleistungen in Deutschland finden häufig wenig Anerkennung. In vielen Fällen ist deshalb vor allem im Vertrieb und der Geschäftsführung eine Positionsbesetzung mit Industrieinsidern mit guten „Connections“ erfolgreicher als eine Besetzung auf der Basis von detaillierten Produktkenntnissen oder Vertrautheit mit den Abläufen in der Zentrale.

Welche Hürden gibt es Ihrer Erfahrung nach?

Die Niederlassungen deutscher Unternehmen sind personell oft dünner ausgestattet als die etablierte amerikanische Konkurrenz. Deshalb benötigt man oft Generalisten, die verschiedene Funktionen zuverlässig übernehmen können. Diese Köpfe müssen in der Lage sein sich in internationalen Strukturen zu bewegen. Aber viele Amerikaner haben oft ausgeprägte US-fokussierte Denkansätze. Interkulturelle Kompetenz und Mittelstandsaffinität lassen sich nicht aus einem Lebenslauf herauslesen! Der oft geringe Bekanntheitsgrad der Unternehmen ist im Recruiting eine ernste Herausforderung. Man muss Überzeugungsarbeit leisten, damit Amerikaner einen gut dotierten Job bei einem etablierten Unternehmen aufgeben und zu der Niederlassung eines ausländischen Unternehmens zu wechseln.

Gibt es ein Patentrezept?

Die herausfordernden Stellen- und Persönlichkeitsprofile, der niedrige Bekanntheitsgrad der Niederlassungen und die geringe Bereitschaft, den Wohnort zu wechseln, machen es notwendig, eine große Menge von potenziellen Kandidaten zu identifizieren und persönlich anzusprechen. Stellenanzeigen, auch auf den bekannten digitalen Plattformen, produzieren wesentlich weniger qualifizierte Bewerber wie vergleichbare Ansätze in Deutschland. Gute Leute wollen direkt angesprochen werden und müssen überzeugt werden, dass Arbeit bei einem Mittelständler eine nachhaltige Karrierechance darstellt. 

Welche weiteren Faktoren sind zu beachten?

Nachweisbare Erfolgsbilanzen sowie Markt- und Industriekenntnisse sind selbstverständliche Auswahlkriterien. Aber es ist von großer Wichtigkeit, Mitarbeiter auszuwählen, die zur Größe der Niederlassung passen. Auch ein gestandener Manager, der aus einem gut organisierten, großen Unternehmen kommt, ist trotz vorhandener Kompetenzen nicht unbedingt geeignet, die Neugründung oder Expansion einer Niederlassung umzusetzen. Erfolgreich sind oft Mitarbeiter, die ähnliche Herausforderungen in einem vergleichbaren Umfeld gemeistert haben. 

Haben Sie ein Beispiel?

Der Aufbau einer Produktionsstätte auf der grünen Wiese erfordert andere Kompetenzen als die Verbesserung der Erträge einer vorhandenen Produktion. Auch ein angepeilter Umsatzanstieg benötigt oft neue Denk- und Führungsansätze. Erfolgschancen steigen enorm, wenn neue Kollegen, die ähnliche Skalierungen bei vorherigen Arbeitgebern erfolgreich durchgeführt haben, die Zügel in der Hand halten.

Amerikanern wird nachgesagt, dass sie häufiger den Job wechseln und dass die Fluktuation in den USA viel höher ist als in Deutschland. Stimmt dieses Bild? 

Ja und nein. Man muss hier zwischen Führungskräften, Angestellten und Arbeitern differenzieren. Bei Führungskräften gibt es einen sehr hohen Anteil an loyalen Mitarbeitern, die innerhalb von Organisationen aufgestiegen sind und langjährige Karrieren vorweisen können. Nach Abschluss einer Kampagne zur Direktansprache sehen wir solche Lebensläufe sehr häufig. Junge Arbeitnehmer müssen jedoch differenziert beurteilt werden. Berufsanfänger, die gerade ihre Ausbildung abgeschlossen haben, wechseln den Job sehr häufig. Das liegt darin begründet, dass amerikanische Studienabschlüsse mehr nach Interessen der Studierenden und weniger nach beruflichen Aspekten ausgewählt werden. Bei Beschäftigten aus der Produktion, umgangssprachlich „blue collar jobs“, kann die Fluktuation hoch sein – 25 Prozent sind hier nicht ungewöhnlich.

Was hilft da?

Empathische Mitarbeiterführung und gute Sozialleistungen können die Fluktuation reduzieren. Ein durchdachtes Recruiting-Marketing sorgt für eine hohe Anzahl von Bewerbern, ein effizientes Auswahlverfahren stellt sicher, dass „Jumper“ im Vorfeld aussortiert werden. Solide Nebenleistungen und langfristige Anreize sorgen dafür, dass gute Leute sich langfristig engagieren.

Welche weiteren Punkte sollten deutsche Arbeitgeber bei der Personalverwaltung in den USA beachten?

Das Arbeitsrecht wird größtenteils von den Bundesstaaten geregelt. Deshalb gibt es große Unterschiede, zum Beispiel bei Überstundenregelungen, Mindestlöhnen oder welche Versicherungsleistungen gesetzlich vorgeschrieben sind. Selbst bei der Gestaltung der Lohnzettel gilt es, regionale Vorschriften zu beachten, um teilweise empfindlich hohe Strafzahlungen zu vermeiden. Durch die Auslagerung von Teilen der Personalverwaltung an externe Dienstleister können Arbeitgeber Risiken vermeiden und Kosten senken. Dieser Ansatz ist bei US-Unternehmen weit verbreitet und hat sich auch bei Niederlassungen bewährt.
 

Welche Folgen haben die enormen Subventionen des Inflation Reduction Act (IRA)?

Der IRA hat zusammen mit anderen Gesetzen und Initiativen als Katalysator gewirkt. Der Wunsch der Amerikaner, Produktion wieder zurückzuholen, die Größe des Marktes, die Notwendigkeit, schnell auf Kundenwünsche zu reagieren und die Unterbrechungen der Lieferketten und die instabile geopolitischen Lage führen zu einem hohen Anstieg der Investitionen ausländischer Unternehmen. Auch die regionalen Ansiedlungsprogramme, welche von Bundesstaaten, Regionen und Gemeinden aufgelegt wurden, machen den Markt für Mittelständler noch attraktiver. Deutsche Investoren sind bei den Direktinvestitionen in der ersten Liga.

Haben Sie noch weitere Hinweise?

Die Größenverhältnisse des Landes erfordern ein Umdenken. Zusammen mit den großen Distanzen und den teilweise sehr unterschiedlichen Arbeitskulturen ist die Auswahl der Standorte und welche Märkte in den Fokus genommen werden, sehr herausfordernd. Die Anlaufphasen sind meistens länger und aufwendiger als die Initialplanung – aber wenn es läuft, kann der Unternehmenserfolg die Wunschvorstellungen deutlich übertreffen. Es gibt viele Beispiele erfolgreicher Mittelständler, die deutsches Know-how und die amerikanische Can-do Mentalität verschmelzen. Manche Marken sind so amerikanisiert, dass die deutschen Wurzeln nicht erkennbar sind, aber die Anteilseigner und Manager genießen die Dividendenausschüttung in Deutschland.

Der Chefscout

Tilman Bender ist Gründer von TH Bender & Partners. Das deutsch-amerikanische Unternehmen hat sich darauf spezialisiert, Führungskräfte für US-Tochtergesellschaften deutscher Unternehmen zu finden. Seit 2006 hat die Firma mehr als 700 Führungskräfte in den USA vermittelt. 

Bender hat Wirtschaftswissenschaften an der Universität Hohenheim studiert und arbeitet seit Mitte der 90er-Jahre in den Vereinigten Staaten.

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