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Recht und Steuern > Rechtliche Tücken

Arbeiten im Ausland - das sollten Sie beachten!

Mancher Beschäftigte verbindet Arbeit und Urlaub im Ausland. Von Bußgeld über Steuern und Sozialabgaben kann das schnell teuer werden. Und jedes Land hat eigene Regeln.

Holger Bingmann, Mein Arbeitszimmer, Mallorca, Unternehmer, Markt und Mittelstand,

Der Besuch der Guardia di Finanza kommt so überraschend wie teuer. Die italienischen Wirtschaftspolizisten mit den grauen Uniformen wollen eine A1-Bescheinigung sehen und stellen viele Fragen über Umfang und Inhalt der Arbeit unter dem Sonnenschirm an der Riviera. „Non ha certificato A1? Molto male!“ Kein Zertifikat? Sehr schlecht! Vom Strand geht es direkt in die Kaserne. Dort folgt nach einem nervenaufreibenden Aufenthalt ein Bußgeld von 2000 Euro. Zudem wird Hausarrest verhängt, bis der Arbeitgeber ebenfalls eine Strafe entrichtet hat. Was als Homeoffice unter Palmen in Ligurien begann, hat eine teure Wendung genommen. Einschließlich arbeitsrechtlicher Konsequenzen bei der Rückkehr in die deutsche Heimat. Denn dort ist man über den kostspieligen Ausflug des Mitarbeiters wenig begeistert.

Unser (fiktiver) Fall könnte sogar noch schlimmer verlaufen. In Frankreich wären 3300 Euro und in Österreich bis zu 10.000 Euro Strafe fällig. Andere Länder setzen den unangemeldeten Ausländer erst einmal fest, um dann nach einem teuren juristischen Verfahren hohe Strafen, Sozialabgaben und Steuern zu kassieren. In einigen Fällen wird dem Arbeitgeber sogar unterstellt, er betreibe eine illegale Betriebsstätte, die neben Schwarzarbeit und Versicherungsbetrug auch noch Steuern für Umsatz, Kapitalerträge und Gewerbebetrieb unterschlagen habe. Beispielsweise entsteht arbeitgeberseitig meist eine Lohnsteuereinbehaltungsverpflichtung im Ausland, und es muss zusätzlich eine entsprechende Gehaltsabrechnung aufgesetzt werden. 

Dann wird es für das Unternehmen richtig teuer, denn es besteht die akute Gefahr der Doppelbesteuerung. Zudem ist der Ruf im Gastland belastet, denn die Behörden melden solche ertappten Steuersünder als eigenen Erfolg stolz an die lokalen Medien weiter. Die Berichterstattung ist dann wenig schmeichelhaft für den Beschäftigten und seinen Arbeitgeber. Pauschale Aussagen zur Begründung einer Betriebsstätte können nicht getroffen werden, weil meist eine Einzelfallbeurteilung von Land, Funktion des Mitarbeiters und ausführender Tätigkeit notwendig wird.

Diese Beispiele verdeutlichen, welche Gefahren drohen, wenn Mitarbeiter mit deutschem Arbeitsvertrag im Ausland tätig sind. So besteht zwar innerhalb der EU prinzipiell Freizügigkeit, doch ohne die A1-Bescheinigung geht es nicht. Das Papier bestätigt, dass in Deutschland Sozialabgaben und Steuern bezahlt werden und dort auch der Arbeitgeber seinen Sitz hat. In anderen Staaten ist neben einem Visum zusätzlich eine Arbeitserlaubnis nötig. Manche Länder erwarten, dass Sozialabgaben geleistet werden. „Schon die Unterschiede zwischen Deutschland, der Schweiz und Österreich sind erheblich“, sagt Marco Klein, HR-Experte beim Maschinen- und Anlagenbauer Trumpf in Ditzingen bei Stuttgart.

Erfahrungsschatz erweitern

Um all diese Klippen auf dem Weg zum entspannten Arbeiten im Ausland zu umschiffen, ist sehr viel Expertise nötig. Klein beziffert allein den Verwaltungsaufwand für solch einen Auslandseinsatz eines Mitarbeiters mit 30 Prozent des Monatsgehalts. Mit Reisekosten, Versicherungen und anderen Aufwendungen kostet er dann gut doppelt so viel wie in der Heimat. Gleichwohl schickt Trumpf gezielt viele Beschäftigte und sogar schon duale Studenten ins Ausland. „Solche Einsätze sind bei uns ein Karrierebaustein, denn sie erweitern die Sichtweise und den Erfahrungsschatz“, erklärt Klein die Personalstrategie des Unternehmens. Aufs Geld wird auch nicht geschaut, wenn Serviceleistungen beim Kunden vor Ort zu erbringen sind. „Bei technischen Problemen schicken wir sofort jemanden hin, da spielen Kosten eine untergeordnete Rolle“, betont Klein.
Im Zuge der Digitalisierung ist auch das Homeoffice unter Palme für immer mehr Beschäftigte eine technisch machbare Variante. Workation nennt die Personalwirtschaft diese Form der Tätigkeit. Ob die Arbeit unter Palmen dabei tatsächlich eine Kombination von „Work“ und „Vacation“ – Arbeit und Urlaub – ist, mag jeder Einzelne entscheiden. Prinzipiell müssen die Mitarbeiter allerdings selbst die Kosten für die bürokratischen Formalien und eventuelle Zusatzversicherungen auf sich nehmen. Zudem gilt es, gewisse Fristen nicht zu überschreiten. Sonst werden die sonnenhungrigen Beschäftigten im Ausland steuer- und sozialversicherungspflichtig. Wobei manche nicht wegen Sonne, Strand und Meer solch einen Ortswechsel auf sich nehmen, sondern aus familiären Gründen zum grenzüberschreitenden Pendeln gezwungen sind.

Bei Bosch berät seit vergangenem Jahr eine eigens gegründete Abteilung Mitarbeiter, die sich für „Smart Working“ – so der Konzernbegriff – interessieren. Auch wenn die Stuttgarter grundsätzlich solchen Tätigkeiten gegenüber positiv eingestellt sind, achtet der Technologieriese sehr genau auf das sogenannte Betriebsstättenrisiko. Denn das betrifft gerade Führungskräfte, die selbst Entscheidungen treffen oder sogar Verträge abschließen dürfen, sehr schnell. Dann sitzt der Kollege oder die Kollegin vielleicht nur allein mit dem Laptop am Strand oder Hotelpool. Aus Sicht der Behörden ist der Arbeitsplatz unter dem Sonnenschirm aber gleichzeitig eine Betriebsstätte des Unternehmens geworden. Und schon schnappt die Steuerfalle zu oder es drohen noch schlimmere juristische Konsequenzen.

Etliche Dienstleister und sogar die Tourismusindustrie haben die „Arbeit unter Palmen“ als Zusatzgeschäft für sich entdeckt. So bieten Onlineplattformen an, Workation für den Arbeitnehmer zu planen. Sie stellen besonders geeignete Reiserouten und Unterkünfte zusammen. „Auch Workation als Teambuildingmaßnahme erfreut sich immer größerer Beliebtheit“, stellt Heidi Schindler, Expertin beim Beratungskonzern EY in Stuttgart, fest. TUI, Europas größter Reisekonzern, hat eine eigene Abteilung gegründet, die beispielsweise Arbeitsplätze an der portugisischen Algarve, auf den Kanarischen Inseln oder an der türkischen Riviera bietet. Aber auch über verschiedene Tochterunternehmen wie die Hotelanbieter Robinson oder TUI Blue lockt der Touristikriese mit entsprechenden Arbeitsmöglichkeiten. „Dank Workation und besten Arbeitsbedingungen, die viele Hotels bieten, ist es kein Problem, neue Länder und Kulturen ­kennenzulernen und den Horizont zu erweitern, ohne Urlaub nehmen zu müssen“, verspricht der ­Konkurrent FTI.

Kein Problem? Es fällt auf, dass die Touristikanbieter zwar Sonne, Meer und Palmen preisen, doch auf die teils erheblichen juristischen Fallstricke nicht explizit hinweisen. Wer also an ein Büro unter Palmen denkt, kommt um die persönliche Recherche, fachkundige Beratung und sicherheitshalber eine Absprache mit dem Arbeitgeber nicht herum. Zur Recherche gehört auch, dass die Internetverbindung im Gastland wirklich zuverlässig und sicher ist. Und in manche Länder sollten die Beschäftigten das reguläre Dienstlaptop besser nicht mitnehmen.

Wie flexibel darf es sein?

„Vor allem jüngere Mitarbeiter und potenzielle Bewerber werden von Workation besonders angesprochen“, erklärt EY-Expertin Schindler. Nach einer Erhebung des Beratungskonzerns erwogen nach der Corona-Pandemie sogar mehr als die Hälfte der weltweit Befragten, ihren Arbeitsplatz zu kündigen, wenn ihnen nicht eine gewisse Flexibilität geboten wird. „Hierzu zählen besonders Arbeitsort und -zeit“, sagt Schindler. Bei den Millennials sei die Wahrscheinlichkeit doppelt so hoch wie bei den in den 1960er-Jahren geborenen Babyboomern. Im Wettbewerb um Fachkräfte und besondere Talente sollten daher flexible Arbeitszeit- und Arbeitsortsmodelle – unter anderem Workation – in Betracht gezogen werden, meint die EY-Expertin.
 
Während Bosch ein solches Ansinnen mit einer eigenen Abteilung positiv begleitet, sieht man das Thema bei Trumpf trotz der grundsätzlichen Bedeutung von Auslandsaufenthalten völlig anders. Für Mitarbeiter und Unternehmen seien die Risiken in der Abwägung zu groß. Trumpf ist damit konsequent und erlaubt kein Homeoffice im Ausland. „Die Unternehmen müssen sich im Klaren sein, dass sie auch in diesen Fällen eine Verantwortung haben und Mitarbeiter vor Risiken bewahren müssen“, stellt Trumpf-HR-Experte Klein klar. In den Bewerbungsgesprächen spiele Workation auch kaum eine Rolle, heißt es aus Ditzingen.

Die Aufenthaltsbestimmungen einzuhalten, sei grundsätzlich nicht zu unterschätzen, mahnen die Kenner der Materie unisono. Sie raten Mittelständlern dringend, kompetente Partner immer dann mit an Bord zu holen, wenn Beschäftigte für eine gewisse Zeit im Ausland tätig sind. Selbst Trumpf-Experte Klein überträgt bestimmte Formalitäten lieber an spezialisierte Dienstleister, die auch neue Bestimmungen im Blick haben. Solche Gefahren gelte es zu managen, betont ebenfalls EY-Expertin Schindler. In den Unternehmen müssten sich beispielsweise Personal- und Steuerabteilung eng abstimmen, wenn Mitarbeiter im Ausland eingesetzt werden.

Klein bestätigt, dass sich die Personalexperten bei Trumpf in diesen Fällen immer wieder intensiv mit den Steuerkollegen austauschen. So dürfen die deutschen Mitarbeiter beispielsweise nicht länger als ein halbes Jahr im Ausland tätig sein. Und die ausländische Tochter oder ein anderer Arbeitgeber vor Ort darf nicht die Vergütung übernehmen. Dennoch ist im Einzelfall genau zu prüfen, ob im Gastland nicht Sozialabgaben fällig werden, denn dazu gibt es keine pauschale Regel, an der man sich orientieren kann.

Die Experten sind sich einig. Sie raten den Unternehmen, die Auslandsaufenthalte Ihrer Beschäftigten klar zu regeln und jeweils eng mit Spezialisten abzustimmen. Welche Länder sind für Workation-Aufenthalte vorgesehen? Und wie lange sind Workation-Aufenthalte erlaubt? Welche Tätigkeiten dürfen ausgeführt werden? Sind bestimmte Personengruppen von vornherein ausgenommen? Gleichwohl bleibt im Einzelfall ein rechtliches Restrisiko, weil nicht alle Fragen eindeutig zu klären sind. Innerbetrieblich gelte es, Verantwortlichkeiten, Rollen und Prozesse festzulegen, erklärt EY-Expertin Schindler. Ein einfaches Kopieren von Programmen, die in anderen Unternehmen liefen, sei hochriskant, denn es gelte die individuelle Struktur des jeweiligen Betriebs zu berücksichtigen. Um eine Abfrage nationaler Regeln im Zielland kommt das Unternehmen oder der beauftragte Dienstleister im Zweifel nicht herum.

Im Zuge der Corona-Krise haben sich viele Länder bereits mit dem Thema Workation auseinandergesetzt und sogenannte „Remote Working Visa“ eingeführt. „Die schaffen einen legalen Rahmen für Beschäftigte, die für eine gewisse Zeit im Ausland arbeiten möchten. Wie genau die Rahmenbedingungen des Visums gestaltet sind, ist von Land zu Land unterschiedlich“, erklärt Schindler von EY. Doch auch der deutsche Fiskus hält so manche Tücke parat. So wurden in diesem Jahr die steuerentlastenden Bestimmungen per Verordnung zusammengestrichen. Das fällt einigen sonnenhungrigen Beschäftigten aber erst auf, wenn der nächste Steuerbescheid im Briefkasten liegt.

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