Beitrag teilen

Link in die Zwischenablage kopieren

Link kopieren
Suchfunktion schließen
Management > Verringerte Kompetenz

Die Rucksack-Aufgabe zeigt es: Aufputschmittel verschlechtern die Leistung im Job

Die einen nehmen sie, um wach zu bleiben, die anderen, um dem Chef Höchstleistungen zu präsentieren: Amphetamine und Aufputschmittel. Doch jetzt finden Forscher heraus: Wer sie nimmt, liefert schlechtere Ergebnisse am Arbeitsplatz ab.

Ritalin am Arbeitsplatz
Wer Amphetamine und Aufputschmittel nimmt, liefert schlechtere Ergebnisse am Arbeitsplatz ab. Bild: picture alliance / dpa Themendienst | Andrea Warnecke

Seit Monaten bemühen sich gestresste Angestellte in den USA zunehmend vergeblich darum, an derzeit rare Medikamente wie Dextroamphetamin (besser bekannt als Adderall) und Methylphenidat (Ritalin) zu gelangen. Offiziell werden diese Stimulanzien, die zur Gruppe der Amphetamine gehören, genauso wie der Muntermacher Provigil zur Behandlung von Aufmerksamkeitsdefiziten-und bei Hyperaktivität (ADHS) eingesetzt. Inoffiziell sind die Medikamente auch bei Anhängern sogenannter „Nootropika" beliebt - Chemikalien, die angeblich die Gehirnleistung steigern. Studenten und Arbeitnehmer in Branchen vom Ingenieur- bis zum Finanzwesen nehmen die Medikamente in der Hoffnung ein, dass sie die Konzentration und die Fähigkeit, Dinge zu erledigen, verbessern. Eine neue Studie legt jedoch nahe, dass dies nicht ratsam sein könnte. Die Medikamente scheinen die Fähigkeit, Probleme zu lösen, eher zu verschlechtern als zu verbessern.

In einer am 14. Juni in der Wissenschaftszeitschrift „Science Advances“ veröffentlichten Arbeit untersuchte eine Forschergruppe unter der Leitung von Peter Bossaerts, Wirtschaftswissenschaftler an der Universität Cambridge, wie sich Adderall, Provigil und Ritalin auf die Fähigkeit von 40 gesunden Menschen auswirken, Aufgaben zu lösen. Die Forscher verwendeten die „Rucksack-Aufgabe", bei der die Teilnehmer herausfinden mussten, welche Gegenstände in einen Sack gelegt werden sollten. Dabei ging es darum, den Wert der Gegenstände zu maximieren, ohne das Gewicht des Sacks zu überschreiten. Die Forscher verwendeten mehrere Versuche mit unterschiedlichem Schwierigkeitsgrad, jeweils mit unterschiedlichen Gewichtsgrenzen und Listen von Gegenständen.

 

Die Teilnehmer besuchten das Labor an vier verschiedenen Tagen. An jedem Tag erhielten sie entweder eine Placebo-Pille oder eines der untersuchten Medikamente. Die Studie war doppelblind, das heißt weder die Teilnehmer, die die Pillen einnahmen, noch die Experimentatoren, die sie verteilten, wussten, welche Pille an welchem Tag verabreicht worden war. Sie stellten fest, dass die Teilnehmer nach der Einnahme eines echten Medikaments schlechtere Ergebnisse bei der Aufgabe erzielten. Die Medikamente bewirkten, dass der Wert der Rucksäcke der Teilnehmer in allen Versuchen leicht sank, da die Probanden nicht optimale Lösungen wählten. Noch auffälliger war, wie die Medikamente die Art und Weise veränderten, wie die Teilnehmer die Aufgabe anpackten. Nach der Einnahme von Adderall oder Ritalin arbeiteten die Teilnehmer viel länger an ihren Rucksäcken als nach der Einnahme der Placebopille. Insbesondere bei der Gabe von Ritalin waren die Versuchspersonen etwa 50 Prozent langsamer, bis sie fertig wurden. Dies entsprach in etwa der Verzögerung, die beim Übergang vom leichtesten zum schwierigsten Versuch in der Placebo-Sitzung zu erwarten war.

Diese zusätzliche Zeit wurde damit verbracht, Gegenstände in den Rucksack hinein- und wieder herauszuholen, wobei die Bewegungen etwas unregelmäßig waren. Die Autoren bewerteten die Produktivität jeder Bewegung, indem sie maßen, um wie viel sich der Wert eines Sacks erhöhte, und fanden heraus, dass die Teilnehmer etwa neun Prozent weniger produktiv waren, wenn sie eines der Studienmedikamente eingenommen hatten, verglichen mit einer Placebopille.  „Es war, als ob sie versuchten, ein Puzzle zu lösen, indem sie wahllos Teile in die Luft warfen", sagt Studienleiter Bossaerts.

Die Autoren argumentieren, dass die Medikamente die Menschen zwar motivierter machten und ihnen halfen, sich mehr anzustrengen, dass dies aber durch die Tatsache, dass die Medikamente die Qualität dieser Anstrengung verringerten, mehr als aufgehoben wurde. Mit anderen Worten: Obwohl die Menschen sich mehr anstrengten, wurden sie weit weniger kompetent. Wie sehr die Medikamente die Leistung beeinträchtigten, schien davon abzuhängen, wie gut ein Teilnehmer ohne sie war. Die besten Leistungen während der Placebo-Sitzung fielen auf die hinteren Plätze zurück, wenn sie die Drogen eingenommen hatten.

Die Einnahme von Aufputschmitteln ist in Branchen wie der Software- und Finanzindustrie gang und gäbe. Eine Umfrage unter 6 500 amerikanischen College-Studenten ergab, dass 14 Prozent die Drogen aus nichtmedizinischen Gründen eingenommen hatten. Die jüngste Studie fügt sich in eine wachsende Zahl von Beweisen ein, die darauf hindeuten, dass solche Medikamente die kognitive Leistung von Menschen, die sie nicht brauchen, kaum verbessern. Für Technikchefs, die auf der Suche nach effizienten Mitarbeitern sind, und für Arbeitnehmer, die hoffen, zu einer vernünftigen Zeit Feierabend machen zu können, könnte der derzeit anhaltende Mangel an Aufputschmitteln so gesehen eine gute Sache sein.

© 2023 The Economist Newspaper Limited. All rights reserved.

Aus The Economist, übersetzt von der Markt & Mittelstand Redaktion, veröffentlicht unter Lizenz. Der Originalartikel in englischer Sprache ist zu finden unter www.economist.com

Ähnliche Artikel