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Personal > Nachfolgeregelung in Betrieben

Die wenigen jungen Wilden

Jedes Jahr müssen rund 200.000 Betriebe die Nachfolge regeln. Das wird immer schwieriger. Aber es gibt erfolgreiche Fälle, die Mut machen.

Gebündeltes Licht: Dina Reit steuert jetzt den Mittelständler SK Laser. Quelle: SK Laser

Heute ist Dina Reit froh, ihre Meinung geändert zu haben: „Ich hatte meinem Vater gesagt, ich werde es nicht. Ich habe auf meine Schwester gehofft, die hat dann aber auch abgesagt.“ Wenn die 31-jährige heute darüber spricht, tut sie das mit entwaffnender Ehrlichkeit. Seit 2022 ist sie nun doch Geschäftsführerin von SK Laser in Wiesbaden, übernahm von ihrem Vater Christoph Kollbach. Wie kam es zum Sinneswandel? Nach dem Studium der Wirtschaftswissenschaften, Kunstgeschichte und Philosophie wollte sie ihrem Herz folgen und Kunst machen: „Die Arbeit im Museum hat mich aber vollkommen desillusioniert. Da gab es sehr wenig Entscheidungsfreiheit und noch weniger Sicherheit.“ All das kannte sie von dem Unternehmen ihres Vaters ganz anders. Hier gab es unbefristete Verträge, flache Hierarchien und große Entscheidungsspielräume für die Mitarbeiter. Reit begann umzudenken.

2019 trat sie ins elterliche Unternehmen ein und lernte zunächst einmal ganz viel über Laser und alles, was dazu gehört. Mit ihrem Vater erarbeitete sie dann einen Meilensteinplan, eine Beraterin half. Derzeit arbeitet Kollbach noch 20 Stunden pro Woche im Unternehmen, hilft, lässt seine geschäftsführende Tochter aber machen. „Das war für die Leute nicht so, dass ich an einem Tag kam und mein Vater dann weg war“, sagt Reit heute und macht auch kein Geheimnis daraus, dass der sanfte Übergang nötig war. Die Beschäftigten, die sie eingestellt hat, sind naturgemäß häufiger bei ihr als die langjährigen Kolleginnen und Kollegen, die immer noch gern zum Gründer gehen. Und was ist, wenn sie und ihr Vater unterschiedlicher Meinung sind? „Natürlich gibt es das, wir sind ja Menschen. Es hilft, dass wir uns sehr gerne haben. Unser Verhältnis ist jetzt noch einmal enger geworden.“ 

Vor allem bei Personalentscheidung habe es unterschiedliche Ansichten gegeben. „Er hatte dann die absolute Charakterstärke zu sagen: Ich würde es anders machen, aber du bist die Zukunft, wir gehen deinen Weg, du triffst die Entscheidung.“ Einfach seien diese Momente dennoch nicht gewesen, gibt Reit zu. „Das ist sehr, sehr viel Verantwortung, die man in so einem Augenblick übernimmt. Mein Vater hat schon so große Entscheidungen getroffen. Wenn er dann sagt, ich würde es nicht machen, war das am Anfang schon schwierig für mich.“ Aber man gewöhne sich daran. Mit der Zeit stand sie dann fest hinter ihren eigenen Entscheidungen. „Meine Lernkurve war wirklich hoch. Erst noch der Master in Management, dann all das Laserwissen und vor allem musste ich als Persönlichkeit stark wachsen, also Personalverantwortung übernehmen oder lernen, schwierige Entscheidungen zu treffen.“

SK Laser hat geschafft, was bei vielen familiengeführten Mittelständlern bevorsteht: den Generationenwechsel. Der staatlichen Förderbank KfW zufolge suchen 560.000 Familienunternehmen bis Ende 2026 einen Nachfolger an der Firmenspitze. Das entspricht jeder sechsten Firma. Jedem dritten Betrieb droht das Aus, wenn sich niemand findet. Nach einer Umfrage der Zeppelin Universität Friedrichshafen im Auftrag der Stiftung Familienunternehmen sind immer noch 71 Prozent der Erben bereit, operativ in die Firmenführung zu gehen und Verantwortung zu übernehmen. Fast jeder vierte befragte Nachfolger erwägt aber, das eigene Unternehmen zu verkaufen, deutlich mehr als bei der Befragung vor drei Jahren. 

Ausufernde Bürokratie, steigende Energiepreisen und der Fachkräftemangel schrecken ab. So mancher und manchem scheint es an Kraft zu mangeln für all die Transformation, egal ob Nachhaltigkeit oder künstliche Intelligenz. Dazu kommt ein Heimatstandort, der darauf schlecht vorbereitet ist. Die Nachfolger beschäftigt die Spaltung der Gesellschaft mehr als zum Beispiel der Krieg in der Ukraine. „Die nächste Unternehmergeneration spürt, dass die Leistungen von Unternehmern heute weniger geschätzt werden“, sagt Rainer Kirchdörfer, Vorstand der Stiftung Familienunternehmen. Da wollen immer weniger Nachfolger und Nachfolgerinnen den harten Weg des Unternehmenslenkers und -lenkerin gehen. Die Bereitschaft, sich zwischen Vorschriften und Steuerdiskussionen aufzureiben, nimmt ab. 

Die Politik spielt bei dieser Problematik auch eine Rolle. Auf dem Tisch des Bundesjustizministeriums liegt eine Idee. Die Einführung einer neuen Rechtsform, einer „Gesellschaft mit gebundenem Vermögen“, kurz GmgV. Die Ampel hatte das Vorhaben im Koalitionsvertrag angekündigt. Der Kern der neuen Rechtsform: Vermögen und Gewinne dienen rechtsverbindlich der Weiterentwicklung des Unternehmens, werden also reinvestiert oder auch gespendet, aber nicht an die Gesellschafterinnen und Gesellschafter ausgezahlt. Die erhalten marktübliche Gehälter und können ähnlich wie in Genossenschaften mit einem festen Betrag – dem Nennbetrag der Anteile – ein- und aussteigen.

Auch die Burgers in der baden-württembergischen Gemeinde Schonach haben 2014 eine solche Charta verfasst und seitdem mit Leben gefüllt. Sie hat den Grundstein für die sechste Generation gelegt. Die Brüder Fabian und Manuel waren seinerzeit noch im Studium. Schwester Josefine brauchte sogar einen Vormund, weil sie noch nicht volljährig war. „Wir sind spielerisch in die Firma gekommen“, erinnert sich Fabian Burger. Zu Beginn durften die Jungs in der Werkstatt werkeln, später mit dem Stapler fahren oder kleinere Aufgaben übernehmen. „Es sollte aber nie Zwang dabei sein“, erklärt Vater Thomas, wie er den Nachwuchs an den Autozulieferer herangeführt hat. Ein Satz, den man bei erfolgreichen Nachfolgen auch immer wieder hört. Er selbst musste kurzfristig die Leitung übernehmen, nachdem sein Vater schwer erkrankt war. Darum weiß Thomas Burger, wie wichtig es ist, wenn man sich beim Einstieg in den Familienbetrieb Zeit lassen kann. „Wichtig war auch, dass wir nach dem Studium erst einmal in einer anderen Firma gearbeitet haben“, sagt Manuel Burger. 

Ein Triumvirat führt

Fünf Jahre waren die Brüder entfernt von Schonach in anderen Betrieben. „Dort wusste niemand, dass ich Unternehmersohn bin“, ergänzt Bruder Fabian. So habe die Leistung des Mitarbeiters mit der Personalnummer 26484 gezählt und nicht dessen Herkunft. Das sei ihm sehr wichtig gewesen. Zurück übernahmen die beiden Brüder dann erste eigene Bereiche in der Burger-Gruppe. Fabian hat in Kanada einen neuen Standort aufgebaut, Manuel die Leitung und Integration eines Zukaufs verantwortet. Seit diesem Jahr bilden die Brüder mit dem Vater ein Triumvirat in der eigens dazu eingerichteten Holding, die elf Unternehmen an acht Standorten zusammenfasst. 
Alle drei sind nun geschäftsführende Gesellschafter, eine Rolle, die Vater Thomas bisher allein innehatte. Die Aufgaben und Zuständigkeiten sind klar verteilt. Die drei geben zu, dass es vieler Debatten bedurfte, bis klar war, wer welche Aufgabe übernimmt. Die klare Zuständigkeit vermeide auch, dass Mitarbeiter versuchten, den einen Chef gegen den anderen auszuspielen, sagen sie. Die Holding sieht prinzipiell auch einen aktiven Platz für Mitgesellschafterin Josefine Burger vor, die derzeit noch Jura studiert. Auch hier wird deutlich, dass die Schwarzwälder den Generationswechsel detailliert und dennoch flexibel geplant haben. Ziel sei es, in den kommenden Jahren schrittweise die Verantwortung an die sechste Generation zu übertragen. Wie und wann lassen die Burgers heute noch offen.

Das Beispiel aus Schonach macht deutlich, wie viel Vorlauf der Generationswechsel benötigt. „Im Schnitt muss man mit sieben Jahren rechnen“, sagt Heidrun Riehle, stellvertretende Hauptgeschäftsführerin des Wirtschaftsverbands industrieller Unternehmen Baden, der sich selbst als Schwarzwald AG bezeichnet. Sie berät und begleitet Mittelständler der Region beim Generationswechsel. „Die Seniorchefs müssen das Thema spätestens mit 50 angehen“, mahnt sie. „Die Mitarbeitenden erwarten eine klare Perspektive, sonst suchen sie sich einen anderen Arbeitgeber.“ Gefordert sind klare Zeitabschnitte, in denen die junge Generation Zug um Zug übernimmt. Die Expertin der „Schwarzwald AG“ beobachtet, dass der Wechsel in großen Betrieben meist gut läuft. Hingegen werden viele kleine Unternehmen am Ende dann verkauft. Diese Betriebe kämpfen aber auch mehr mit neuen Geschäftsmodellen und Märkten.

„Massive Zweifel“

Einen gut geplanten Übergang in Schritten, dazu eine Charta, gab es bei Johanna Schirmer nicht. Ganz im Gegenteil. Die Geschäftsführerin der Immobilienverwaltung und Beteiligungsgesellschaft Irene Gantz in Korbach musste in sehr jungen Jahren plötzlich von ihrer Großmutter übernehmen. Heute kann sie mit der Verantwortung gut umgehen. Aber sie kennt die Momente, in denen man aufgeben möchte. Inzwischen berichtet sie von ihren turbulenten Nachfolgeerfahrungen. „Die Rolle war anfangs einfach zu groß für mich. Und damit bin ich nicht allein“, sagt die 27-Jährige.
„Als 21-jährige Perfektionistin litt ich unter dem Hochstaplersyndrom, also dem massiven Zweifel, ob ich überhaupt für diese Position geeignet war, geschweige denn, ob ich sie verdiente“, sagt Schirmer. Sie habe eine überzogene Vorstellung von Professionalität gehabt. „In meinen Augen musste ein Geschäftsführer alles wissen. Fragen zu stellen, empfand ich als Schwäche.“ Diese Phase belastete sie emotional sehr. „Ich fühlte mich wie das Bauernopfer. Es schien, als ginge es um alle anderen außer mir. Und dann überkam mich Selbstmitleid.“ Doch Schirmer kämpfte sich heraus und ließ sich helfen. „Ich hatte das Glück, großartige Mitgesellschafter, Führungskräfte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer zu haben, die mir sagten: Frau Schirmer, rufen Sie uns an, wir schaffen das gemeinsam.“

Management ist immer eine Frage des Stils, aber bei jeder Übernahme treffen unterschiedliche Generationen, Traditionen, Zeiten und Persönlichkeiten aufeinander. „Das ist eine Herausforderung, genauso wie älteren Mitarbeitenden zu vermitteln, dass der einstige Dreikäsehoch jetzt der Chef ist“, sagt sie und rät, in solch schwierigen Momenten innezuhalten. „Wenn in der Firma vorher alles schlecht gelaufen wäre, dann gäbe es die Firma nicht mehr. Analysieren Sie, was gut war, und erklären Sie, warum Sie die Verantwortung übernehmen. Finden Sie neue Ansätze, die sowohl zu Ihrer Persönlichkeit als auch zum Unternehmen passen.“ Nachfolgerinnen sollten ihre eigenen Fähigkeiten und klare Rollen in der Familie festlegen. Dabei können gezielte Fragen in Diskussionen innerhalb der Familie helfen, wie zum Beispiel: „Sprichst du als Vater oder als Gesellschafter? Als Mutter oder als Aufsichtsrätin? Als Bruder oder als Stiftungsrat?“ Schirmer empfiehlt, Zeiten und Räume für Diskussionen über Unternehmensfragen festzulegen, statt strategische Themen auf dem 85. Geburtstag der Großmutter zu klären. 

Schirmer ist sich sicher: „Jeder Nachfolger wird irgendwann hinwerfen wollen. In solchen Momenten hilft es, sich einzugestehen: Heute ist ein verdammt schwerer Tag. Aber das bedeutet nicht, dass ich grundsätzlich unqualifiziert bin.“ Ob man trotz aller Schwierigkeiten der Richtige für die Nachfolge ist, kann jeder selbst beantworten. „Sehe ich einen Sinn in dem, was ich tue? Schreibe ich hier meine eigene Geschichte und nicht die, die andere von mir erwarten?“ Wer diese Fragen bejahen kann, ist richtig.

Das klingt stark nach dem Vorgehen, dass den Übergang bei SK Laser ermöglicht hat. Chefin Reit macht trotz all der Schwierigkeiten anderen Töchtern und Söhnen in Familienunternehmern Mut: „Nachfolge ist eine Riesenchance, aber es ist kein Geschenk. Die Verantwortung, die man in sehr jungen Jahren da abbekommt, liegt schwer auf den Schultern und das ist noch mal anders als eine Gründung. Wenn man die falschen Entscheidungen trifft, kann das eben nicht nur zu den eigenen Lasten gehen, sondern auch zu Lasten von anderen.“ Wie gut, dass sie dieses Risiko eingegangen ist.

Lesen Sie hier einen Gastbeitrag von Anita Zehrer zum Thema Kommunikation von Nachfolger. Sie ist Leiterin des Zentrums Familienunternehmen am MCI 

Rat von Gleichgesinnten

In manchen Situationen möchten Nachfolgerinnen und Nachfolger möglicherweise nicht ihre eigenen Eltern um Rat fragen. Sie wollen vielleicht auch nicht, dass die Schwierigkeiten im Unternehmen bekannt werden. Oder es gibt niemanden im Unternehmen, dem sie ausreichend vertrauen, um schwierige Themen anzusprechen. Für solche Standardfälle gibt es zahlreiche Angebote, bei denen Nachfolger sich mit Gleichgesinnten austauschen können, wie die Wirtschaftsjunioren, die gemeinnützige Wifu-Stiftung oder die Intes-Akademie. Sie bieten geschützte Räume, die nicht öffentlich zugänglich sind und absolute Vertraulichkeit gewährleisten. Wer ein Familienunternehmen übernommen hat, profitiert hier auch von einer Vielfalt an Branchen und kann von unterschiedlichen Erfahrungen und Lösungsansätzen lernen.

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