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Vergütung > Nebenleistungen der Vergütung

Und ewig lockt der Dienstwagen

Autos sind ein wesentlicher Bestandteil der Vergütung, auch weil sie sich steuerlich für den Arbeitgeber rechnen. Nur E-Fahrzeuge ­kommen nicht so richtig auf die Straße.

Fahren mit Stil: Miss Daisy hatte zum chromblitzenden Dienstwagen auch einen Chauffeur. In deutschen Unternehmen ist das eher die Ausnahme. © picture-alliance / Mary Evans Picture Library

„Heilig's Blechle“ nennt der Schwabe liebevoll seinen fahrbaren Untersatz, der auch als Symbol dessen gilt, was man finanziell so erreicht hat. Um diesen Effekt zu erreichen, sollten entweder ein Stern, vier Ringe oder ein weiß-blaues Muster Kühlerhaube oder Grill zieren. Lediglich das schnelle Gefährt aus Stuttgart-Zuffenhausen versteckt der Schwabe lieber in der Garage oder sogar verschämt in der angemieteten Scheune. Die Kundschaft soll ja nicht sehen, wo die Honorare für Architekt, Rechtsanwalt oder Steuerberater am Ende landen. In Zeiten des Fachkräftemangels gelten Dienstwagen neben betrieblicher Altersversorgung und Homeoffice zu den beliebten Lockmitteln. „Das ‚Heilig's Blechle‘ ist immer noch ein wichtiger Bestandteil bei der Vergütung“, sagt Marco Klein, Personalexperte beim Maschinen- und Anlagenbauer Trumpf in ­Ditzingen bei Stuttgart.

Nach einer Untersuchung des Stellenportals Indeed und der Internetseite billiger-mietwagen.de hat sich der Anteil der Positionen mit Firmenfahrzeugen in den vergangenen Jahren verdoppelt. Die Berliner Index-Gruppe ermittelte fürs erste Halbjahr sogar einen Anstieg bei Stellenanzeigen mit Dienstwagenangebot um 60 Prozent. Gut möglich, dass die Beschäftigten die Lockdowns und die bangen Fahrten im überfüllten Nahverkehr während der Pandemie noch in schlechter Erinnerung haben. Zum Höhepunkt der Corona-Zeit schnellten die Suchen nach einer Arbeit mit Dienstwagen um 93 Prozent hoch, die Zahl entsprechender Ausschreibungen verdoppelte sich.

Angesprochen werden längst nicht nur Führungskräfte, begehrte Ingenieure oder IT-Spezialisten. Inzwischen bieten vor allem Unternehmen im Handwerk ihren Beschäftigten Dienstfahrzeuge. Mit einem Anteil von rund 30,7 Prozent am Gesamtvolumen der Jobanzeigen mit Dienstwagenofferte platziert sich die Branche an der Spitze der Analyse. Es folgen Positionen im Vertrieb mit 13,8 Prozent sowie medizinischem Fachpersonal mit 9,5 Prozent. Die geringste Chance auf ein Firmenauto haben Mitarbeiter im Beratungssektor mit einer Beteiligung von 0,2 Prozent. Die hohe Zahl von Fahrzeugen außerhalb der großen Unternehmen spiegelt sich auch bei den beliebtesten Modellen wider. Hinter dem VW Passat folgen die Ford-Modelle Focus Turnier und Kuga. Die Karossen aus Stuttgart, München oder Ingolstadt schaffen es nach einer Erhebung des Dienstleisters Leaseplan nicht unter die ersten zehn der am meisten nachgefragten Firmenfahrzeuge.

Tücken der Steuer

Einige Unternehmen bieten den Mitarbeitern statt Dienstwagen sogenannte Mobilitätsbudgets. Damit können die Beschäftigten sich mit öffentlichen Verkehrsmittel Ihrer Wahl fortbewegen. Für die Unternehmen trägt das Angebot auch zur nachhaltigen Bilanz bei und bringt ESG-Punkte. Allerdings sind diese Angebote nur für Beschäftigte interessant, die vor allem in Großstädten oder dem nahen Umland leben und arbeiten. Wer wegen der horrenden Mieten aufs Land gezogen ist oder dort seinen Arbeitsplatz hat, kann mit Mobilitätsbudget genauso wenig anfangen wie mit Fahrradleasing.

Zudem sind solche Budgets steuerrechtlich ausgesprochen komplex. Für das Finanzamt ist wichtig, wie Beschäftigte das Mobilitätsbudget konkret nutzen. Wenn sie Geld zweckgebunden ausgeben können, ist es steuerpflichtig. Wenn die Unternehmen aber Geldkarten oder separate Guthaben dafür einrichten, gelten sie als Sachbezug und sind steuerlich bevorteilt. Der Verwaltungsaufwand ist enorm, sodass auch große Konzerne auf solche Angebot verzichten.

In der Praxis greifen selbst die jüngeren Mitarbeiter gerne zu, wenn die Unternehmen ein Fahrzeug anbieten. Nach einer Emnid-Umfrage wünschen sich 70 Prozent der unter 30-Jährigen einen Dienstwagen auch zur privaten Nutzung für den nächsten Job. Denn die meisten können so auf die Anschaffung eines privaten Fahrzeugs verzichten, was das eigene Budget entlastet. Personalexperten sehen in diesem Punkt deshalb einen zusätzlichen Motivationsschub und eine Möglichkeit, die begehrten Fachleute zu halten. Zudem kann das Fahrzeug als „weiche Komponente“ verhindern, dass die Gehälter in Zeiten des Fachkräftemangels extrem steigen. Müssen die Betriebe sparen, werden eben Wagen einer niedrigeren Preisklasse bereitgestellt.

Werden die Dienstfahrzeuge durch das Unternehmen gekauft, erhält es die Mehrwertsteuer zurück. Damit ergibt sich auch für den Arbeitgeber ein geldwerter Vorteil, denn die Umsatzsteuerforderung des Fiskus sinkt durch die Anschaffung deutlich. Einen weiteren gewinnmindernden Effekt erzielen die Betriebe dann durch die Abschreibung der Fahrzeuge. Allerdings werden diese Teil des Betriebsvermögens und müssen entsprechend verwaltet und gewartet werden. Zudem stehen die Betriebe vor dem Problem, dass sie später, wenn sie die Wagen verkaufen, als gewerblicher Verkäufer eine zweijährige Gewährleistung einräumen müssen. Darum wickeln die meisten Unternehmen die Firmenwagen über Leasinggesellschaften ab und verbuchen die anfallenden Kosten gewinnmindernd. Zunehmendem Interesse erfreuen sich im gewerblichen Bereich Abo-Modelle, die zeitlich flexibler sind als der klassische Leasingvertrag.
 
Die Finanzdienstleister können durch ihre Marktmacht auch günstigere Anschaffungspreise durchsetzen. Davon profitieren bestenfalls die Unternehmen, aber nicht der Arbeitnehmer. Der muss ein Prozent des finalen Bruttolistenpreises als geldwerten Vorteil versteuern, wie der Bundesfinanzhof bestätigt hat (BFH/NV 2013, 1404). Für den pauschalen Nutzungswert ist sogar bei günstig reimportierten Fahrzeugen der inländische Listenpreis zum Zeitpunkt der Erstzulassung maßgebend. Ist der Wagen besser ausgestattet als das Modell im Inland, wird steuerrechtlich der höhere Wert angesetzt. Der Fiskus lässt aber auch geschäftsführende Gesellschafter nicht vom Haken. Selbst wenn der Firmenwagen nur dienstlich genutzt werde, müsse der Betroffene dennoch das Fahrzeug versteuern, weil eine private Nutzung unterstellt werde, urteilte das Finanzgericht Köln. Nur anhand eines ordnungsgemäß geführten Fahrtenbuchs sei die private Nutzung auszuschließen (Az. 13 K 1001/19).
 
Für heimische Konzerne wie Volkswagen, Mercedes-Benz und BMW ist das Dienstwagengeschäft von zentraler Bedeutung. Der Marktanteil der deutschen Autohersteller am „Heilig's Blechle“ auf Firmenkosten liegt in diesem Bereich bei gut 80 Prozent. Im Gesamtmarkt sind es etwa zwei Drittel. Entsprechend schlägt die Rezession jetzt durch: Der Auftragseingang lag nach einer Auswertung des Duisburger Instituts Center for Automotive Research (CAR) im Oktober etwa 50 Prozent unter dem Referenzjahr 2015. Die Flaute dürfte noch eine Weile anhalten. Hohe Anreize, kostspielige Verkaufsförderungsmaßnahmen und wenig Kunden geben nach Beobachtung der CAR-Experten einen Hinweis auf schwache Neuzulassungszahlen in den nächsten sechs Monaten.

Wechselwille bei E-Autos

In diese Gemengelage platzt eine Erhebung der auf den Automarkt spezialisierten Marktforscher von Dataforce. Demnach bleiben 61 Prozent der Dienstwagenfahrer markentreu – und sind damit deutlich konstanter als Privatkunden. Dabei entscheidet die Hälfte der Zielgruppe über den künftigen Firmenwagen selbst. In großen Flotten sind es sogar drei Viertel. Weniger gefallen dürfte den deutschen Platzhirschen allerdings, dass sich das Bild bei Elektrofahrzeugen deutlich verändert. Hier bleiben nur etwa 40 Prozent der aktuellen E-Nutzer ihrer vorherigen Marke treu. Ein Drittel der Befragten erwägt, beim nächsten Fahrzeugwechsel einen chinesischen Hersteller zu wählen.

Doch noch bleibt den deutschen Autobauern etwas Zeit, ihr schwaches Image in Sachen E-Fahrzeug aufzupolieren. Denn insgesamt ist die Nachfrage nach dem Auslaufen der staatlichen Förderung Ende August merklich erlahmt. Vollelektrische Fahrzeuge machen im Schnitt etwa ein Fünftel der Neuzulassungen aus. Das Elektroauto sei Verlierer, sagen die Experten von CAR zur aktuellen Marktentwicklung. Marktexperte Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management (CAM) sieht den deutschen E-Mobilmarkt sogar in einer kritischen Übergangsphase. „Höhere Zinsen und abnehmende Förderungen führen zu höheren Leasing- und Finanzierungsraten der ohnehin teureren Elektrofahrzeuge und bremsen absehbar die Marktdynamik.“

Das bedeutet, dass für Dienstwagenfahrer dieses Segment merklich unattraktiver geworden ist. Hinzu kommt, dass die Ladeinfrastruktur immer noch sehr dünn ist. Nach dem Karlsruher Urteil zum Bundeshaushalt ist auch völlig offen, ob Elektrofahrzeuge mit einem Anschaffungswert zwischen 60.000 und 80.000 Euro im kommenden Jahr gesondert staatlich gefördert werden. Das wäre genau das Segment für viele Dienstwagen gewesen. Geplant war eine günstigere Pauschalbesteuerung des geldwerten Vorteils. Er läge dann bei 0,25 des Bruttolistenpreises.

„In Zukunft müssen stärkere Anreize für Elektroautos geschaffen werden, damit mehr Fahrer in Unternehmen auf Elektroantrieb umsteigen und wir die gesamte Top-10-Liste grüner gestalten können“, mahnt Christopher Schmidt, Commercial Director beim Dienstleister Leaseplan Deutschland. Die Hersteller zwischen Sindelfingen und Wolfsburg werden die unklare Marktlage bei E-Autos derzeit kaum bedauern. Ihnen dürfte sogar eine stockende Nachfrage ganz recht sein. Bei Mercedes-Benz hinkt die Fertigung hinter dem Plan her, weil es an Komponenten von Bosch fehlt. Auch Volkswagen kann nicht genügend Elektromodelle herstellen. Hier kommen die benötigten Antriebe nicht in ausreichender Menge an die Bänder.

Die schleppende Versorgung mit Ladesäulen hat innerhalb der Autoindustrie Zweifel am Zeitplan hin zur Elektromobilität aufkommen lassen. Ein Treffen mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ergab jedenfalls keine Erkenntnisse, wie das Ziel von 15 Millionen E-Fahrzeugen bis 2030 erreicht werden soll. Derzeit sind eine Million „Stromer“ auf Deutschlands Straßen überwiegend im Kurzstreckenverkehr unterwegs.

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