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Vergütung > Tarifeinigung mit der GDL

Die Bahn erweist Deutschland einen Bärendienst

Eine Kehrtwende, die viele Unternehmer sprachlos macht: Die Deutsche Bahn gibt nach und die GDL bekommt ihre 35-Stunden-Woche. Ein schwerer symbolischer Schlag für Deutschland, kommentiert Thorsten Giersch.

Nach zahllosen Stunden des Streiks der Deutschen Bahn: Einigung auf eine 35-Stunden Woche. Bildnachweis: picture alliance / dieKLEINERT | Kostas Koufogiorgos

Zeit ist Geld, heißt ein Sprichwort. Tempi passati: Zeit ist das neue Geld, müsste es 2024 heißen. Die Bahn hat ihrem großen Widersacher, Lokführergewerkschaftschef-Chef Claus Weselsky, in seiner letzten Tarifrunde vor der Rente ein Denkmal gesetzt, indem sie der GDL die 35-Stunden-Woche schenkte. Zwar erst ab 2029, aber was bedeuten solche Spitzfindigkeiten schon, wenn es um Symbolik pur geht.

Gesichtswahrend sind Tarifverträge idealerweise für beide Seiten. Hier hat die hässliche Fratze gewonnen. Die GDL ließ Millionen leiden, weit über Gebühr. Sie beschädigte den Standort Deutschland, weil sie Ausstände zu großen Messen durchzog und es so anging, dass die Notfallpläne möglichst wenig griffen. Außerdem gab es Streikdoppelungen mit Verdi, die die Lufthansa zeitgleich bestreikte.

Die Bahn lobte sich selbst für die Flexibilität des „intelligenten“, „innovativen“ und „wegweisenden“ Abschlusses. Drei Wochen ist es her, da bezeichnete Verhandlungsführer Martin Seiler die 35-Stunden-Woche als nicht erfüllbare Maximalforderung. Sie sei „eine massive Gefahr für das Eisenbahnsystem“. Was bleibt: Das Management der Bahn ist so verlässlich wie die Pünktlichkeit seiner Züge.

Erster Verlierer dieser unfassbaren Posse ist der Bahn-Kunde, der das alles zahlen muss. Zweiter Verlierer ist der Steuerzahler, der von den Mehrkosten sicher auch nicht verschont bleiben wird. Dritter Verlierer könnten alle anderen sein, denen die Gewerkschaften nun die Bude einrennen mit der Forderung nach der 35-Stunden-Woche.

Es muss nicht so kommen: Auch bei der Bahn wird die Arbeitszeit nicht für alle pauschal auf 35 Stunden gesenkt, sondern Beschäftigte haben die Wahl: Zeit oder Geld. Das ist an sich nicht neu, ein Detail aber schon: Üblicherweise bekommen die, die weniger arbeiten, in anderen Branchen weniger Geld. Die Bahn muss denen, die mehr als 35 Stunden arbeiten, mehr zahlen.

Was nach Spitzfindigkeit klingt, ist nichts anderes als die Hoffnung von Bahn-Personalvorstand Seiler, dass 14 Prozent mehr brutto Anreiz genug sind, um 40 statt 35 Stunden zu arbeiten. Wer die Daten all der Vergleichsfälle kennt, ist da höchst skeptisch. Zudem ist so eine Taktik wohl auch nur für Staatskonzerne möglich, wo das Thema Schulden etwas lockerer gehandhabt wird als bei Privatunternehmen.

Gerade erst wurde die Statistik veröffentlicht, dass die Deutschen de facto noch nie so wenig gearbeitet haben wie 2023. Die heutige Entscheidung dürfte das verfestigen. Dem Land wäre damit nicht geholfen. Es könnte einen Gewinner geben: das Streikrecht. Denn wenn das jetzt nicht reformiert wird nach all den irren Volten des Claus Weselsky, dann reden wir nicht mehr von einer Verspätung, sondern von einem Totalausfall.

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