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Vorsicht, netter Kollege!

Im Kampf um Informationen setzt der russische Geheimdienst verstärkt auf „U-Boote“ in deutschen Unternehmen, warnt der Verfassungsschutz. Eine Checkliste hilft weiter.

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Der Spion im eigenen Haus wird zur realen Gefahr für Unternehmen. In Gefahr sind Firmen, die aus unterschiedlichsten Gründen für die russische Wirtschaft interessant sind. Die Zahl der Anbahnungsversuche russischer Nachrichtendienste steige, stellt jedenfalls der Verfassungsschutz fest. „Beschäftigte mit russischer Staatsangehörigkeit sind besonders gefährdet“, warnen die Berliner Wirtschaftsschutz-Experten des Verfassungsschutzes in einem aktuellen Sicherheitshinweis.

Personalverantwortliche stehen damit vor einem Dilemma: Niemand will Mitarbeiter zu Unrecht verdächtigen. Trotzdem ist Wachsamkeit das Gebot der Stunde. Denn der Verrat muss keineswegs vom Kollegen selbst initiiert werden. Viel ist der womöglich selbst Opfer und braucht dringend die Unterstützung seines Arbeitgebers. Denn wer in für Russlands Wirtschaft interessanten Bereichen arbeitet, muss befürchten, ungebeten von russischen Nachrichtendiensten kontaktiert zu werden. Sie verfügen über Möglichkeiten, den aus ihrer Sicht nötigen Druck aufzubauen - etwa über Repressalien gegenüber in Russland gebliebenen Verwandten oder Bekannten. Zudem scheuen sie auch vor Bedrohung und Erpressung nicht zurück, berichtet der Verfassungsschutz.

Der Grund dafür ist offensichtlich: Russlands Wirtschaft wird durch die verhängten Sanktionen immer stärker von Know-how und Technologien aus dem westlichen Ausland abgeschnitten. Der Verfassungsschutz beobachtet: „Der Druck auf die russischen Nachrichtendienste nimmt zu, Zugang zu Menschen mit einschlägigen Kenntnissen und zu Technologien von Bedeutung für die russische Wirtschaft zu gewinnen. Die Kontaktaufnahme kann völlig beiläufig und mit langfristiger Perspektive erfolgen.“ Passende Gelegenheiten bieten notwendige Kontakte russischer Staatsangehöriger zu diplomatischen Einrichtungen oder Behörden ihres Heimatlandes sowie Reisen nach Russland. Der Verfassungsschutz erwartet deswegen mehr Anbahnungsversuche insbesondere von Beschäftigten in für Russland relevanten Wirtschafts- und Forschungszweigen. Dabei geht es nicht nur um den Diebstahl geistigen Eigentums. Auch russische Beschaffungsversuche, die durch die Sanktionen illegal sind, werden wahrscheinlicher. In Deutschland sind davon vor allem Unternehmen der maritimen Wirtschaft, Luft- und Raumfahrt, Halbleiterproduktion, Werkzeugmaschinen sowie der Sicherheits- und Rüstungsindustrie bedroht.

Mögliche Indizien für illegale Beschaffungsaktivitäten gibt es viele. Dazu gehören Anfragen an Hersteller von zivilen Produkten von einem Kunden aus dem Militär. Oft passen die Namen von Unternehmen, Personal, Geschäftsführern nicht zum Handelssitz des Unternehmens. Oder der Kunde wahrt zu weiteren Geschäftskontakten nach Deutschland eine auffällige Verschwiegenheit. Auch untypische Versandwege und Bestimmungsorte, etwa eine Spedition als Endpunkt, sollten skeptisch machen. Das gilt auch, wenn der Kunde eine außergewöhnliche Etikettierung wünscht, die auf eine Verschleierung der Warengattung hindeutet, oder er sich nur unklar zur Endverwendung äußern möchte. Vorsicht ist geboten, wenn die Anfrage für ein vorgebliches Inlandsgeschäft Verweise auf möglichen Warenexport in ein weiteres Zielland enthält oder der Käufer auf Einweisungen, Service-Leistungen, Wartungsverträge oder Garantien verzichtet.

Aber nicht nur russische, sondern auch ukrainische Angreifer versuchen Einfluss auf Unternehmen zu nehmen. Im Fall der ukrainischen Attacken geht es nicht um das Anheuern von Söldnern, sondern darum, deutschen Unternehmen mit Russlankontakten das Leben zu erschweren. Dafür werten ukrainische Spezialisten Datenbanken aus, die über das Russlandgeschäft von Firmen Auskunft geben.

Der Generalverdacht möglicher russischer Spionage trifft nicht nur Betriebsangehörige. Er macht auch den Start für russische Staatsangehörige schwerer, die jetzt im Zuge des Krieges nach Deutschland übersiedeln wollen. Das können verfolgte Oppositionelle wie Beschäftigte von deutschen oder europäischen Unternehmen sein, die ihre geschäftlichen Aktivitäten in Russland zurückfahren oder ganz einstellen.

Der Verfassungsschutz veröffentlicht deswegen jetzt vier Faustregeln:

Erstens sollte die Kommunikation mit Niederlassungen oder Geschäftskontakten in Russland sollten auf ein Minimum reduziert werden und immer sachlich bleiben. Insbesondere russische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollten nicht in die Lage gebracht werden, sich per Telefon oder E-Mail zum Krieg in der Ukraine äußern zu müssen.

Zweitens sollten Mitarbeiter von Unternehmen, die schon jetzt vom Verfassungsschutz als Geheimnisträger eingestuft werden, auch gegenüber Geflüchteten aus der Ukraine äußerste Zurückhaltung bei Gesprächen zur beruflichen Tätigkeit wahren.

Drittens sollte jeder, der den Verdacht hat, Ziel eines Ausforschungs- oder Anbahnungsversuchs geworden zu sein, das den Vorgesetzten mitteilen.

Und viertens gibt es Informationen zur Bedrohungslage beim Verfassungsschutz unter: wirtschaftsschutz@bfv.bund.de  oder telefonisch unter +49(0)30–18–7923322.

AH

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