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Energie & Rohstoffe > Gasheizungsverbot

„Mich besorgt das starke Eingreifen des Staates in Form von Verboten“

Christoph Blepp ist einer der Top-Berater in der Baubranche. Über die Auswirkungen des geplanten Gasheizungsverbots und dessen Folgen für Kunden, Handwerker und Hersteller hat er seine ganz eigene Meinung. Den eigenen Eltern würde er von einem Umbau dringend abraten.

Christoph Blepp ist Gründungspartner der S&B Strategy GmbH und verantwortet den Bereich Strategieentwicklung und -umsetzung. Die Berater haben sich auf die Gebäudeentwicklung spezialisiert. Er ist Experte für die internationale Bau- und Bauzulieferindustrie, sowie Studien- und Buchautor.

Herr Blepp, das Aus für Gas- und Ölheizungen soll früher kommen als gedacht. Ist 2024 ein realistisches Datum, um Millionen von Umrüstungen zu bewältigen?

Ganz klar nein. Die Herstellerkapazitäten sind hierfür noch nicht ausreichend und auch auf der Installationsseite fehlt es noch an ausreichend geschultem Personal. Der Anteil der Gasbrennwertkessel im Neubau und der Sanierung ist einfach noch zu hoch. In vielen Häusern ist die Wärmepumpe auch nicht so einfach installierbar, wenn man den Wirkungsgrad wirklich optimal nutzen will. Ältere Gebäude benötigen neue Leitungen, Umstellungen auf Fußbodenheizungen, Dämmungen. Da reicht es nicht aus, einfach eine Wärmepumpe in den Keller zu stellen. Und Pelletheizungen können nur eine Übergangs- oder Nischenlösung sein. Diese sind wartungsintensiv und Biomasse als Brennstoff ist sehr hohen Preisschwankungen ausgesetzt.

Wie beurteilen Sie die Auswirkungen dieser Maßnahmen auf die Schadstoffbilanz?

Grundsätzlich positiv, aber eben nur unter der Prämisse, dass der Strom, der die Wärmepumpen versorgt, auch grün ist. Pelletheizungen und ähnliches bleiben zwar die Ausnahme, haben aber dennoch keine besonders überragende Schadstoffbilanz. Ganz unabhängig vom Einsatz entsprechender Filter.
Ist die Vorgabe – und die entsprechende Förderung – auch ein gewaltiges Konjunktursonderprogramm für die Heizungsbau-Branche? 
Die Branche erlebt schon seit Jahren eine Sonderkonjunktur. Es geht hier eher um Kapazitäten in der Installation und der Herstellung, die schlichtweg begrenzt sind. Mehr Druck auf dem Kessel hilft in so einer Situation nicht weiter.

Wo sollen die neuen Produktionskapazitäten, die neuen Mitarbeiter herkommen?

Wahrscheinlich aus den beiden Ministerien von Herrn Habeck und Frau Geywitz. Vielleicht sind dort in den vergangenen Monaten gewaltige Anlagen und Personalressourcen aufgebaut worden, von denen niemand was weiß. Ansonsten kann ich Ihnen diese Frage auch nicht beantworten. Industrie und Handwerk investieren ja schon wie verrückt.

Welche Heizformen stehen künftig im Vordergrund?

Ganz klar die Wärmepumpe, denn gekoppelt mit einer Photovoltaik-Anlage ist sie bei den meisten Ein- und Mehrfamilienhäusern im Wirkungsgrad überlegen. Auch die Fern- und Nahwärme wird sicherlich weiter an Bedeutung gewinnen.

Wärmepumpen verbrauchen je nach Jahreszeit und Beschaffenheit der Häuser viel Strom und sind mit giftigem Kältemittel befüllt. Sind sie wirklich eine gute Methode zum Heizen?

Perspektivisch wird der Strom aus regenerativen Quellen bezogen. Kältemittel werden mehr und mehr durch natürliche Alternativen ersetzt. Brennstoffzellen sind zu teuer und Wasserstoff ist erstmal nicht in der breiten Infrastruktur verfügbar. Wie bereits erwähnt, sind Wärmepumpen im Wirkungsgrad schlicht überlegen. Allerdings stimmt es, dass die Energieeffizienz der Gebäudehülle ganz wesentlich für die Reduktion der Stromkosten sein wird – und bereits ist. Aus technologischer und politischer Perspektive und mit Blick auf CO2-Emissionen macht die Wärmepumpe für einen Großteil der Gebäude am meisten Sinn.
 

Sehen Sie auf die Branche Lieferschwierigkeiten zukommen, wenn die Nachfrage rasant steigt?

Auf jeden Fall, die bestehen schon heute.

Gibt es genügend ausgebildete Handwerker, die die steigende Nachfrage nach Umbauten und die Wartung der neuen Heizsysteme übernehmen können?

Wir wollen in Deutschland in 23 Jahren einen klimaneutralen Gebäudebestand realisiert haben. Gleichzeitig haben wir ein vergleichsweise hohes Durchschnittsalter im Installationshandwerk, eine steigende Komplexität in der Installation und eine bestenfalls abflachende Demographiekurve. Ich denke nicht, dass wir dieses Ziel unter diesen Voraussetzungen erreichen können. Vor diesem Hintergrund ist es gut vorstellbar, dass die Politik den Neubaumarkt vernachlässigen wird. Alle Kapazitäten werden dann in die Sanierung fließen. 

Wenn die Nachfrage steigt, steigen die Preise – sehen Sie einen Preisschub für moderne Heizanlagen kommen?

Ja. Denn auch die Lohnkosten in der Installation werden deutlich steigen. Die Divergenz zwischen hoher Nachfrage und knappem Angebot wird den Markt mittel- bis langfristig kennzeichnen.

Wem würden sie ausdrücklich davon abraten, vor dem gesetzlichen Zwangsaus eine bestehende Gas- oder Ölheizung zu ersetzen?

Meine Eltern sind knapp 80 Jahre alt, wohnen in einem Haus Baujahr 1982 mit einer Ölheizung. Die Wahl wäre hier Wärmepumpe und Kernsanierung oder Pelletofen. Rein objektiv betrachtet: Warum sollten sie in eine neue Heizung investieren, die sich in ihrer Lebzeit nicht amortisieren wird? Aber wir sprechen ja nicht von einem „normalen“ Markt, denn sonst würden alle Ölkessel einbauen – preiswert, bewährt, unterhaltsarm. Die Kosten der CO2-Emissionen sind hier natürlich nicht mit einkalkuliert. Mich besorgt das Starke eingreifen des Staates in Form von Verboten. Die langfristig beste Lösung ist ein CO2-Preis, der Investitionen planbar macht und der Industrie weiterhin genug Raum für Innovationen lässt.       

Die FDP spricht von „Politik mit der Brechstange“. Wie ist Ihre Meinung zu dem Referentenentwurf?

Das sehe ich ähnlich. Industrie und Handwerk dürfen wieder ausbaden, dass politischer Aktionismus zielorientierten, besonnenen Konzepten vorgezogen wird.

Welche konstruktiven Vorschläge haben Sie dazu, was Habeck besser machen könnte, um das Ziel zu erreichen?

Zunächst einmal müssen die Ziele realistisch formuliert werden. Ad hoc fallen mir drei Aspekte ein, die verbessert werden müssen. Das erste Ziel, die CO2-Emissionen perspektivisch auf Netto-Null im Gebäudesektor zu senken, wird durch die Industrie und das Handwerk realisiert. Ein CO2-Preis ist hier ein langfristiger Hebel, der den Marktakteuren den Freiraum gibt, innovativ und zielgerichtet zu arbeiten. Zweitens: Rein wirtschaftlich gesehen werden viele Haushalte die Kosten alleine nicht stemmen können. Deswegen werden wir zwangsläufig mehr Fördermittel für Sanierungsmaßnahmen benötigen. Ein gutes Beispiel hierfür sind die USA, wo man Fördermittel beim Endanwender mit klaren, transparenten Kriterien ausschüttet. Hierzulande schaffen wir immer wieder zusätzliche Bürokratiemonster, die endlose Anträge und Arbeitsschleifen erfordern. Das muss sich ändern. Und drittens: Wenn die Reduktion der CO2-Emissionen wirklich das oberste Ziel ist, dann müssen andere Auflagen in den Hintergrund rücken. Über den Bürokratieabbau wird viel geredet. An anderer Stelle haben wir gesehen, wie schnell ein LNG-Terminal geplant, gebaut, abgenommen und in Betrieb genommen werden kann. Solange wir die Lehren daraus nicht auf die Bauindustrie als Gesamtheit umlegen und die Kräfte von Industrie und Handwerk entfesseln, braucht es keine neuen Ziele, Auflagen, Verbote oder andere Ideen.

Wir haben sowohl bei den Solarherstellern wie auch jetzt bei den Windkraft-Anlagenbauern einen Trend erlebt: Kaum boomte die Branche verdrängten insbesondere chinesische Unternehmen heimische Produzenten. Sehen sie die Gefahr auch jetzt?

Die Gefahr besteht durchaus, allerdings sind Wärmepumpenhersteller immer stärker mit Service-Angeboten in den Markt gegangen, um die Bindung zu den Installateuren – Wartung etc. – zu erhöhen. Bei den Öl- und Gasheizungen war dies ähnlich. Dadurch ist die Gefahr geringer, weil solche Serviceangebote vor Ort stattfinden müssen und nicht so leicht aus Fernost abzubilden sind.

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