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Zukunftsmärkte > Reaktion auf Lohnforderungen der IG Metall

Acht Prozent mehr Lohn? Niemals

Die IG Metall denkt an fast acht Prozent mehr Lohn. So viel hatte sie zuletzt im Jahr 2008 gefordert. Die Arbeitgeber schütteln den Kopf. Sie sprechen von wegbrechenden Gewinnen und Aufträgen. Die Tarifrunde im Herbst könnte konfliktreich werden.

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IG Metall Logo: Reaktion auf Lohnforderungen der IG MetallBild: Shutterstock

„Die kommende Tarifrunde wird eine Herausforderung.“ Für Joachim Schulz, seit Mai Chef des Arbeitgeberverbandes Südwestmetall, liegen die Entwicklung der Unternehmen in Baden-Württemberg und die Erwartungen der IG Metall so weit auseinander, wie schon lange nicht mehr. „Die meisten Unternehmen können sich keine zusätzliche Kostenbelastung durch höhere Löhne leisten“, stellt Schulz klar. Zuvor hatte IG Metall-Chef Jörg Hofmann erklärt, man peile eine Lohnerhöhung zwischen sieben und acht Prozent an. Das wäre die höchste Forderung seit 2008. In Baden-Württemberg will die Gewerkschaft ihre konkrete Forderung am 30. Juni vorstellen. Im Land soll nach dem Willen von Bezirkschef Roman Zitzelsberger auch der Pilotabschluss ausgehandelt werden. „Schaun wir mal“, kommentiert Schulz dieses Ansinnen noch zurückhaltend.

Belastung des Mittelstands kaum zu stemmen

Nach einer Umfrage unter 300 Mitgliedsunternehmen mit 300.000 Beschäftigten im Land, stöhnen gut vier Fünftel der Betriebe unter den stark gestiegenen Kosten für Energie und Material. „Die Liquiditätsbelastung ist so hoch, dass sich das der Mittelstand kaum noch leisten kann“, klagt Markus Schramek, Geschäftsführer des Metallverarbeiters BEW-Umformtechnik in Rosengarten bei Schwäbisch Hall. „Wenn wir Halbleiter bekommen, dann nur noch zu horrenden Preisen“, bestätigt Hekatron-Chef Michael Roth im südbadischen Sulzburg. Günter Eberle, Chef des Werkzeugherstellers HEW in Schwendi auf der Schwäbischen Alb beschreibt, wie sich die Energiepreise verteuert haben: „Mit dem auslaufenden Vertrag Ende Juni wird Strom fünf Mal teurer.“ Für den Betrieb steigen so alleine die Kosten für Energie um eine Million Euro. Nur einem Fünftel der befragten Unternehmen gelingt es, die gestiegenen Kosten auch voll an die Kunden weiter zu geben. Der Rest schafft dies nur zum Teil oder bleibt darauf sitzen.

Südwestmetall-Chef Schulz beobachtet eine stark auseinanderdriftende Entwicklung der Mitgliedsunternehmen: „Das müssen bei der kommenden Tarifrunde berücksichtigen.“ Dem Arbeitgeberverband schwebt darum ein Abschluss vor, der sich an den Möglichkeiten der jeweiligen Betriebe orientiert. Da könnte die Laufzeit eine Stellschaube sein, so Schulz, der sich noch nicht genauer in die Karten schauen lassen will. Die Vorstellungen der IG Metall weist es als „abenteuerlich“ zurück.

Immer mehr Aufträge brechen weg

Südwestmetall widerspricht auch dem Argument der Gewerkschaft, die Unternehmen hätten in jüngster Zeit prächtig verdient und die Auftragsbücher seien voll. Nicht alle hätten gute Erträge erwirtschaftet. „Die vollen Auftragsbücher sind auch darauf zurückzuführen, dass die Kunden die Ware nicht abrufen, die sie einmal bestellt haben“, erklärt Hauptgeschäftsführer Peer-Michael Dick. In den vergangenen Wochen würden zudem viele dieser Aufträge storniert. Zudem würden die Gewinne immer mehr einbrechen. „Die Lage ist deshalb in vielen Bereichen besorgniserregend“, so Dick. Von den befragten Unternehmen schätzen 23 Prozent ihre wirtschaftliche Situation als „bedrohlich“ ein.

 „Wir müssen darauf achten, dass die Betriebe nicht überfordert werden“, erklärt der Chef von Südwestmetall. Sonst laufe man Gefahr, dass die Unternehmen ihrem Verband den Rücken kehren. „Das würde der Tarifautonomie sehr schaden.“ Zurückhaltend blickt er auf den Gipfel zu dem Bundeskanzler Olaf Scholz für Anfang Juli geladen hat. Schon jetzt ist er sich aber mit der Gewerkschaft in einem Punkt einig. Die Belastungen durch die Inflation können nicht die Tarifpartner lösen. „Da muss die Politik handeln“, so Schulz, der allerdings auch deren Spielraum begrenzt sieht: „Am Ende müssen wir alle ein Teil selbst tragen.“

Heißer Herbst steht bevor

Selbst wenn man das übliche Säbelrasseln der Tarifpartner ausblendet, bleibt immer noch genug Konfliktstoff für einen heißen Herbst. Die IG Metall-Mitglieder erwarten, dass sich ihre Gewerkschaft ins Zeug legt und diesmal deutlich spürbare Lohnprozente herausholt. Zur gleichen Zeit schicken die Beschäftigten der Chemie-Industrie ihre Vertreter mit dem gleichen Wunsch in die Verhandlungen. Die Beschäftigten der Eisen- und Stahlindustrie sowie der Autobauer haben sehr wohl registriert, dass ihre Unternehmen prächtig verdient haben und auch weiter verdienen. Entsprechend üppig sind die Dividenden ausgefallen. IG Metall-Chef Hofmann spricht da von einer „Umverteilungskomponente“, die zum Inflationsausgleich hinzukommen soll.

Geht es nach der IG Metall-Zentrale in Frankfurt sollen die wesentlichen Punkte noch vor dem Ablauf der Friedenspflicht Mitte Oktober besprochen werden. Dann wäre man im November durch, so Hofmann. Eine erneute Lohn-Preis-Spirale, die in den 70er Jahren die Inflation befeuert hat, befürchtet man bei der IG Metall nicht. Man orientiere sich am Zwei Prozent-Ziel der Europäischen Zentralbank, so Hofmann. Sein Stuttgarter Kollege Roman Zitzelsberger verweist zudem darauf, dass die Löhne nur einen Anteil von 20 Prozent an den Gesamtkosten haben. Wenn die Preise also steigen, könne das nicht an den Entgelten liegen, wäscht man die Hände in Unschuld.

Zusatzbelastung durch Wahlkampf

Die IG Metall will zwar kampfbereite Massen, doch die Erwartungen sollen nicht in den Himmel wachsen. Der Abschluss in der Stahlindustrie in Höhe von 6,5 Prozent erlaube keine Rückschlüsse auf das Ergebnis für die gesamte Metall- und Elektroindustrie. Zitzelsberger hat sich vorgenommen im Herbst einen Pilotabschluss für die 3,7 Millionen Beschäftigten auszuhandeln. Wobei aber auch die Kollegen in Bayern und NRW Ansprüchen angemeldet haben. Dabei sind solche Gespräche in diesen Zeiten sicher nicht vergnügungssteuerpflichtig. Doch im kommenden Jahr wird der Nachfolger von IG Metall-Chef Hofmann neu gewählt und so mancher rechnet sich mit einer erfolgreichen Tarifrunde Chancen aus. Bei den Arbeitgebern sieht man diese Wahlkampfkomponente jedenfalls mit Sorge. Das könne die Gespräche zusätzlich belasten, heißt es hinter vorgehaltener Hand.

auk

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