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Debatte > Eklat bei den Wirtschaftsweisen

Grimms Wahrheiten

Der Sachverständigenrat zeigte sich eher als Hort der Nachfragepolitik. Nur Veronika Grimm gilt als Wirtschaftsweise alten Schlags. Durch eine unsägliche Kampagne will man sie offenbar loswerden, kommentiert Thorsten Giersch.

Prof. Dr. Veronika Grimm Bildquelle: Sachverständigenrat Wirtschaft

Jeder Fußballer kennt das Spiel Fünf-gegen-Zwei. Im Sachverständigenrat heißt es derzeit Vier-gegen-Eins – und zwar mit Blutgrätschen statt Hack-Spitze eins, zwei, drei. Zum Hintergrund: Veronika Grimm hat sich Ärger eingehandelt, weil sie ein Aufsichtsratsmandats bei Siemens Energie angenommen hat. Das sei ein Interessenkonflikt mit der Tätigkeit als Wirtschaftsweise, heißt es von anderen im Rat. 

Die vier anderen Wirtschaftsweisen forderten die Ökonomin auf, dass Mandat entweder nicht anzunehmen oder den Sachverständigenrat zu verlassen. Das ist ein einmaliger Vorgang und der Tiefpunkt dessen Arbeit, die zuletzt ohnehin in die Kritik geraten war. Vermutlich war die Mail an Grimm nicht zufällig in die Finger des Handelsblatts geraten, das darüber am Mittwoch berichtete. Demnach setzten die vier Ratsmitglieder auch an Kanzleramtschef Wolfgang Schmidt sowie die Bundesminister Christian Lindner und Robert Habeck in Kopie, was dem Vorgang eine weitere Dimension gibt. Auch Grimms Antwort geriet in die Medien: Sie lehnt einen Rücktritt ab.

Kein Wunder, klingt die Argumentation hinter der Rücktrittsforderung vorgeschoben: Schließlich gab es schon diverse vergleichbare Fälle in der Historie des Sachverständigenrates, ohne dass je Interessenskonflikte zutage gefördert wurden. Das Recht hat Grimm allemal auf ihrer Seite, juristisch ist ihr Vorgehen einwandfrei. Doch die Ratsvorsitzenden Monika Schnitzer, Achim Truger, Ulrike Malmendier und Martin Werding haben es allen Anschein nach auf Grimm abgesehen.  Mehrere ehemalige Wirtschaftsweise schlugen sich auf Grimms Seite und beklagten einen Verfall der Sitten. 

Grimm steht in diesen Zeiten als einzige der Wirtschaftsweisen für die Instrumente der Angebotspolitik. Schuldenbremse lockern? Warum nicht, sagt das Gremium – nur Grimm ist dagegen. Auch höhere Steuern über den Energie-Soli finden alle außer Grimm gut. Ältere erinnern sich noch an die Zeiten, in denen der Sachverständigenrat für niedrige Steuern, Bürokratieabbau und mehr Flexibilität plädierte. Heute steht Grimm mit solcherlei recht allein da. 

Ein Vorschlag zur Güte: Bundeswirtschaftsminister und Kanzler besetzen den Rat der Wirtschaftsweisen bald komplett nach eigenem Gutdünken. Dann bekommt man die Vorschläge, die man bestellt und muss sich nicht herumärgern. Ganz im Ernst hat Deutschland gerade viel zu viele Probleme, damit dieses an sich wichtige ein Gremium solche Eklats aufwerfen sollte.
 

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