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Recht und Steuern > „Tariftreuegesetz“

Den meisten Mittelständlern droht das Aus bei staatlichen Aufträgen

Die Ampel-Koalition erwägt, den Vergabeprozess der behördlichen Aufträge anders zu gestalten. Mittelständische Firmen wären dabei der klare Verlierer. Was dahinter steckt und wie sich der Widerstand formiert.

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD), plant laut Arbeitgeber-Verbänden einen Tarifzwang durch die Hintertür.

Wer Aufträge vom Staat bekommen will, muss bei sich im Unternehmen eine Tarifpflicht einführen. So lautet kurz gefasst die Idee der Regierung für den neuen Prozess rund um die Vergabe von behördlichen Aufträgen. Wenn ein Unternehmen von solchen profitieren will, muss es – wenn die Pläne Realität werden – bald zusätzliche Kriterien erfüllen. Vor allem das von Hubertus Heile (SPD) geführte Arbeitsministerium hat eine Idee namens „Tariftreuegesetz“.

Wer seine Beschäftigten nicht nach einem vom Arbeitsministerium anerkannten Tarifvertrag bezahlt, soll keine Aufträge bekommen dürfen. „Öffent­li­che Aufträ­ge des Bundes gibt es nur bei Einhal­tung eines reprä­sen­ta­ti­ven Tarif­ver­trags“, heißt es in Heils Ministerium. Die Verbände laufen erwartbar Sturm gegen diesen Passus, der auch innerhalb der Ampel-Koalition umstritten ist. 

„Tarif­zwang schafft Bürokra­tie – in den Unter­neh­men und bei den Kontrol­leu­ren“, warnte Arbeit­ge­ber­prä­si­dent Rainer Dulger. Abgesehen von den höheren Kosten für Staat und Betriebe würden „kleine und mittle­re Unter­neh­men von der wirtschaft­li­chen Zusam­men­ar­beit mit der öffent­li­chen Hand ausgenommen“, so Dulger: „Mir scheint, es geht um die Verstaat­li­chung wirtschaft­li­cher Tätigkeit.“ Wie das Insti­tut für Arbeits­markt- und Berufs­for­schung (IAB) errechnete, haben rund 60 Prozent der großen Unternehmen Tarif­ver­trä­ge, bei Betreiben mit weniger als 50 Beschäf­tig­ten sind es weniger als 30 Prozent.

Das Bundeswirtschaftsministerium von Robert Habeck (Grüne) ist hier ebenfalls zuständig, hält sich derzeit aber noch zurück. Kein Wunder, sitzt Habeck doch zwischen den Stühlen. Schließlich würden Unternehmen mit hohem Tarifniveau von der neuen Vergabepraxis profitieren. Fraglich ist allerdings, ob das „Tariftreuegesetz“ überhaupt juristisch machbar ist. Dulger nennt Heils – aus seiner Sicht verfas­sungs­wid­ri­gen – Vorschlag „Tarif­an­wen­dung durch Zwang“.  

Dank Felix Hartmann gibt es eine unabhängige Analyse der Thematik: Der Rechts­wis­sen­schaft­ler von der Freien Univer­si­tät Berlin legt in einem Gutachten dar, dass das Tariftreuegesetz die europäi­sche Dienst­leis­tungs­frei­heit genauso verlet­zt wie auch die grund­ge­setz­lich geschütz­te Arbeits­ver­trags- und Koali­ti­ons­frei­heit: „Eine staat­li­che Tarif­se­lek­ti­on stärkt Tarif­ver­trä­ge gerade nicht“, schreibt Hartmann. Arbeitsminister Heil will sein Gesetz in der zweiten Jahreshälfte forcieren. Bis dahin dürfte es noch Diskussionen darum geben.

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