Beitrag teilen

Link in die Zwischenablage kopieren

Link kopieren
Suchfunktion schließen
Energie & Rohstoffe > Strompaket der Regierung

Die Standortretter

Die Einigung auf ein Strompaket per Geheimtreffen zeigt, dass Deutschland auch von drei Parteien regiert werden kann und vernünftige Kompromisse noch möglich sind. Dennoch zeigt eine Analyse des Pakets, dass es auch Schwächen hat.

Christian Lindner, Olaf Scholz und Robert Habeck haben sich im Geheimen zusammengesetzt und beim Strompreis eine Lösung gefunden.

Schon wenige Minuten nachdem die Einigung über das sogenannte „Strompreispaket“ von der Regierung verkündet wurde, flatterte die ersten Statements und Gastbeiträge in die Redaktionen der großen Wirtschaftsmedien: zu wenig, so der Tenor. Das wirkte vorbereitet, war der Zeitpunkt der Veröffentlichung doch durchaus überraschend. Im Hinterzimmer hatten sich Kanzler Olaf Scholz (SPD), Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) zusammengesetzt und eine Lösung gefunden. Selbst enge Vertraute sollen von dem Deal bis zuletzt nichts gewusst haben.

Trotz erheblich abweichender Meinung ist die Ampel-Koalition also doch handlungsfähig. „Die Bundesregierung entlastet das produzierende Gewerbe massiv bei den Stromkosten“, sagte Scholz nicht frei von Stolz: „Wir senken die Stromsteuer radikal, stabilisieren die Netzentgelte und setzen die Strompreiskompensation fort, damit die Unternehmen mit den aktuellen Strompreisen besser zurechtkommen können.“ Die Stromsteuer fällt ab 2024 für alle Unternehmen des produzierenden Gewerbes von 1,537 Cent pro Kilowattstunde auf 0,05 Cent.

Tatsächlich lautete der Tenor der meisten Kommentare in den großen Zeitungen: besser als erwartet. Die geplanten Entlastungen beim Strompreis sind ein Kompromiss und er wird nicht alle zufriedenstellen. Aber es ist eine Erleichterung und nun herrscht Planungssicherheit. Zudem wirkte die Situation festgefahren, insbesondere zwischen dem Wirtschaftsminister und Christian Lindner, der die Finanzen im Blick hat. Insofern ist es erstens gut, dass es überhaupt zeitnah eine Einigung gab, mit der alle drei Parteien und ihre handelnden Personen leben können.

Zweitens hat das Entlastungspaket den wichtigen Vorteil, dass alle verwendeten Instrumente bekannt sind. Hier werden keine Testballons gestartet, die Behörden überlasten können. Und die EU-Kommission kann keine beihilferechtlichen Bedenken geltend machen. Das sorgt für Verlässlichkeit.

Drittens wirkt das Konzept handwerklich schlüssig. Das etablierte Instrument der Strompreiskompensation wird deutlich ausgebaut und verbessert. Es ermöglicht rund 350 großen Stromverbrauchern aus der Industrie einen Ausgleich dafür, dass Stromerzeuger ihre Kosten für den Kauf von Emissionszertifikaten auf den Strompreis aufschlagen und an die Stromverbraucher weiterreichen. Chemiekonzerne, Aluminiumhütten und Co. haben dadurch einen Nachteil im internationalen Wettbewerb, der nun schwindet, denn die Konditionen der Strompreiskompensation werden nun nennenswert verbessert. Und das für fünf Jahre, was Verlässlichkeit schafft.

Das war auch nötig, werden betroffene Unternehmer zurecht einwenden. Denn mit den absehbar steigenden CO2-Preisen im Emissionszertifikatehandel wären ohne diese Kompensation erheblich steigende Strompreise praktisch unvermeidbar gewesen. Die Entlastung von jährlich rund 70 Terawattstunden ist eine relevante Größenordnung. Zum Vergleich: Der Bruttostromverbrauch in Deutschland liegt bei rund 530 Terawattstunden.

Abstriche müssen alle machen: Habeck wollte ursprünglich einen Industriestrompreis von sechs Cent für eine bestimmte Zahl von Unternehmen. Das wären rund 130 Terawattstunden gewesen und hätte mit hoher Wahrscheinlichkeit mittelständische Wettbewerber gegenüber den begünstigten Großunternehmen benachteiligt. Das lag Lindner genauso im Magen wie die Kosten für Habecks Industriestrompreis-Konzept. Nun profitiert die Breite der produzierenden Betriebe, vom Bäcker um die Ecke bis hin zum abwanderungsfähigen Dax-Konzern.

Der Nachteil: Das Konzept ist nicht die Dauerhilfe für den Moment, bis es grünen Strom in hinreichender Menge zu vertretbaren Preisen gibt – da kann Habeck so oft er will den Begriff „Strompreisbrücke“ verwenden. Das Paket ist keine Brücke bis zu diesem ohnehin schwer zu definierenden Zeitpunkt, sondern ein Halteseil, das den Absturz verhindert. Aber die monatelange Diskussion hat doch ohnehin gezeigt, dass Deutschland auch in dem Moment, wo wir nahe 100 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien gewinnen, kein günstiger Standort für energieintensive Unternehmen mehr werden. Es gibt Länder, in denen die Sonne mehr schein und der Wind stärker weht.

Es wird noch viel mehr brauchen, damit Deutschland zu einem im internationalen Wettbewerb attraktiven Standort für Industrieproduktion wird. Aber das Entlastungspaket der Ampel-Regierung dürfte dafür sorgen, dass sich der rasante Abzug von Unternehmen nennenswert abschwächt. Nicht mehr, und nicht weniger. Spannend wird es zum einen in dem Moment, wenn nach zwei Jahren die Förderung der mittelständischen Betriebe ausläuft – das Problem erbt dann die kommende Regierung.

Und zweitens wird den Wählern irgendwann auffallen, dass sie von diesem Strompreispaket indirekt benachteiligt werden, wie Ökonomen vorrechnen: Die geringere Steuer erhöht indirekt die Nachfrage der Unternehmen und damit den Marktpreis für Strom. Für Haushalte dürfte der also durch die Vergünstigung teurer werden. Andersherum formuliert: Der Anreiz zum Sparen wechselt von den Unternehmen hin zum Einzelnen. Das muss nicht falsch sein, denn der Hebel ist hier deutlich größer.

Ähnliche Artikel