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Finanzierung > Unterstützung bei Transformation und Nachhaltigkeit

Warum Unternehmen so selten Förderung beantragen

Mittelständler beantragen nur einen Bruchteil der staatlichen Fördergelder. Zu kompliziert, sagen sie. Stimmt nicht, sagen die anderen. Wie Probleme und Vorurteile zu lösen sind.

Investitionen in der Nachhaltigkeit werden von verschiedene Stellen gefördert, Solaranlagen gehören allerdings nicht dazu.
Investitionen in der Nachhaltigkeit werden von verschiedene Stellen gefördert, Solaranlagen gehören allerdings nicht dazu. ©Shutterstock

Mehr als 250 Unternehmen intensiv beraten, 40 verschiedene Projekte realisiert und mehr als 3300 Menschen digital weitergebildet. Das alles binnen fünf Jahren: Michael Klotz, Professor an der Hochschule Stralsund und Projektleiter von „Mittelstand 4.0“, ist zu Recht stolz. Denn die Zahlen sind die Antwort auf eine Frage aus dem Jahr 2017. Damals trieb die vorpommersche Stadt Stralsund und ihre Unternehmer eine Sorge um: Wie lässt sich der Tourismus in unserer Stadt digital optimieren, sodass mehr Besucher kommen und mehr Betriebe profitieren? „Dafür haben wir die gesamte Wertschöpfungskette vom Gast her neu gedacht“, sagt Klotz. Beteiligt waren auch die Fraunhofer-Gesellschaft, die Universitätsmedizin Rostock und die Hochschule Wismar. Das klingt wie aus dem Lehrbuch zur digitalen Transformation einer vernetzten Region.

Aber die Stralsunder haben ihre 1,4 Millionen Euro Fördermittel aus der Initiative „Mittelstand Digital“ des Bundeswirtschaftsministeriums tatsächlich klug investiert. In einfachere Buchungsplattformen, eine erleichterte Anreise über öffentlichen Nahverkehr und Bahn, in digitale Vermietungsangebote und Campingplätze, in Dienstleister rund um Gastronomie, Medizin und Handel, in mehr Freizeitangebote und in digitalen Zugang zum Kurbetrieb. „Wir wollten die Digitalisierung für kleine und mittlere Unternehmen verständlich und greifbar machen, damit sie ihr Potenzial ausschöpfen können“, fasst Klotz zusammen.

Davon kann Christian Schuster aus dem ostwestfälischen Geseke nur träumen. Der Inhaber einer Schreinerei und Obermeister der Tischler­innung Soest-Lippstadt rauft sich die Haare über schlecht gemachte Förderinstrumente für kleinere und mittlere Unternehmen (KMU). Für seinen Handwerksbetrieb rechne sich der Zuschuss im Alltagsbetrieb erst gar nicht. „Die bürokratischen Hürden sind derart hoch, dass ich mit dem Zeitinvestment mehr Geld verliere, als ich durch die Fördermittel reinhole“, sagt Schuster. Grund sei überbordende Bürokratie bei der Antragstellung: „Im Alltag erleben wir keine Förder-, sondern eine Behinderungspolitik.“ Die bremse auch noch die Zahlungsfähigkeit seiner Kunden. „Sie bekommen die staatlichen Fördermittel, auf die sie zur Begleichung unserer Rechnung angewiesen sind, nicht oder nicht rechtzeitig.“ 

Der Digitalisierungsindex der Deutschen Telekom liefert harte Zahlen: Danach haben nur 18 Prozent der befragten Unternehmen 2021/22 eine staatliche Förderung in Anspruch genommen. 60 Prozent von ihnen benötigten externe Hilfe, um das passende Programm zu finden und beantragen zu können.
 

In Deutschland fehlt der Überblick. Nicht nur den Unternehmen, sondern auch dem Staat. Deswegen finden beide Seiten zu selten zusammen. Wie viele kleine und große Förderprogramme in Form etwa von Beratungen, Zuschüssen, Darlehen oder Bürgschaften gibt es aktuell für KMU? Geschätzt werden zwischen 2500 und 3000. Sie unterstützen von der Idee bis zur Marktreife alles, fördern Investitionen in Nachhaltigkeit, Digitalisierung oder Software, in Bildung, Beratung und Forschungskooperationen. Es gibt sie für Start-ups wie für Weltmarktführer, auf Landes- und Bundesebene. Ein 1000-Teile-Puzzle ist nichts dagegen. 

Und wie viel Steuergeld fließt jährlich insgesamt in die Förderung der KMU? „Wir können das nur für unser Haus ausweisen“, lautet die eine Standardantwort der Fördergeber. Die andere: „Wir können das für Mittelständler nicht trennscharf erfassen, weil sie als Zulieferer auch von Förderung für Konzerne profitieren.“ 2022 waren es allein bei der staatlichen Förderbank KfW 33,1 Milliarden Euro nur für die sogenannte Mittelstandsbank. Hinzu kommen zum Beispiel verschiedene Landesförderbanken. Und wie erfolgreich ist das Förderkonvolut? Unmöglich zu sagen: Manche werden messerscharf evaluiert, andere so gut wie gar nicht. Da reichen ein paar Förmlichkeiten des Antragstellers.

Dabei hat Deutschland in der Corona-Pandemie gezeigt, wie schnell das Land angeschlagene Unternehmen erfolgreich unterstützen kann. Auch deshalb haben deutsche Programme wie das bekannte Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand (ZIM) in ganz Europa einen guten Ruf. Das Vorzeigeprogramm für Forschung und Entwicklung in Kürze: 75 Prozent haben weniger als 50 Mitarbeiter, 25 Prozent sind jünger als zehn Jahre. Rund 40 Prozent der Unternehmen bekommen so ihre erste Förderung. Von den Unternehmen, die vor dem Projekt kaum in Forschung und Entwicklung investierten, bleiben danach fast 40 Prozent dabei. Nur zwei Prozent wollen keinen weiteren ZIM-Antrag stellen.

Den Erfolg über Grenzen hinweg beobachtet auch Jan Metzler, Winzer und Bundestagsabgeordneter aus Worms. Der CDU-Mittelstandsexperte berichtet: „Andere EU-Staaten interessieren sich dafür, wie wir in Deutschland kleine und mittlere Unternehmen fördern.“ Gerade mit Blick auf das amerikanische Inflation Reduction Act, dem milliardenschweren Investitionspaket der US-Regierung, sei zielgerichtete und nachhaltige Förderung innerhalb der EU noch wichtiger geworden. „Der Reduction Act wird Unternehmensverlagerungen in die USA nach sich ziehen“, befürchtet Metzler. Doch ganz Europa teilt das Förderdilemma der Deutschen. „Die Politik muss den Unternehmen einerseits möglichst stringente, niederschwellige Förderangebote machen, aber andererseits unerwünschte Mitnahmeeffekte auszuschließen“, sagt der Mittelstandsexperte. Die Corona-Pandemie sei leider auch ein Beispiel dafür, wie schwierig das in der Realität sein kann.

Firmen brauchen mehr Mut

Diese Probleme müssen Staat und Unternehmen zügig lösen, um den Zugang und den Einsatz von Fördermitteln und Steuergeld zu optimieren: 
Wenig Wissen: Viele Unternehmen ahnen nicht, dass sie passgenaue Programme in Anspruch nehmen könnten. Dabei helfen sogenannte Förderlotsen weiter. Meist sind das erfahrene Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der örtlichen Industrie- und Handelskammern, der regionalen Förderbanken und großer Projektträger. Janpeter Beckmann, Experte für Förderprogramme bei der NRW.Bank, stellt fest: „Nicht wenige Unternehmen kennen die Förderlandschaft nur sehr begrenzt. Viele, die sich bei uns melden, haben eher zufällig etwas aufgeschnappt und fragen dann: Gibt es das auch für uns?“ Der Fachmann appelliert zu mehr Mut: „Unternehmen müssen gar nicht so viel mitbringen, um an die Förderung zu kommen.“ Es gibt formelle Kriterien: So darf der Betrieb nicht in einer Insolvenz stecken und er muss konkrete Anknüpfungspunkte für die gewünschte Förderung belegen. „Es hilft auf jeden Fall, vor dem Antrag mit dem zuständigen Projektträger zu sprechen. Die können die Chancen und Risiken einschätzen und wissen, worauf es zu achten gilt.“

Weil so viel Unternehmen externen Rat suchen, haben sich daraus längst spezialisierte Agenturen entwickelt. Auch die Deutsche Telekom bietet diesen Service über ihr Projekt „Schubkraft“ an. Benjamin Springub, Chef von „Schubkraft“, ruft zaudernde Unternehmer zu mehr Gelassenheit auf: „Längst nicht alle Förderprogramme sind mit viel Bürokratie verbunden. Die Anträge sind meistens nicht so schlimm, wie sie sich viele ausmalen. Da hat sich auch viel getan.“

Gefürchtete Auflagen: Mancher Unternehmer scheut die mit der Gewährung von Fördermitteln – also Steuergeld – geforderte Transparenz. Beckmann von der NRW.Bank wirbt für Verständnis: „Natürlich muss jemand Rechenschaft darüber ablegen, was er mit den Fördermitteln gemacht hat.“ Unternehmen sollten auch bereit sein, selbst etwas in ihre finanzielle Unterstützung zu investieren: „Dazu gehört auch, sich mit einem Antragsverfahren auseinanderzusetzen.“ An dieser Stelle gibt auch Professor Klotz aus Stralsund praxisnahen Rat: „Entscheidend für einen gelungenen Förderantrag ist es, die Förderrichtlinien gut zu lesen. Die Unterstützung muss zur Strategie des Unternehmens passen, nicht umgekehrt. Dieses Adjustieren ist die eigentliche Herausforderung.“

Zu lange Bewilligungszeiten: Mehrstufige Verfahren können so viel Zeit verschlingen, dass Projekte verzögert werden oder schlimmstenfalls platzen und gute Leute das Team verlassen. Die Lösung kann durch vereinfachte Verfahren nur von der Anbieterseite kommen.

Mangelnde Kommunikation: Ein renommierter Experte für Wirtschaftsförderung, der nicht namentlich genannt werden will, legt offen: „Wenn die Kosten für den komplizierten Förderantrag schon 20 Prozent der Fördermittel verschlingen und noch die Ausgaben für das Berichtswesen hinzukommen, wird das Projekt uninteressant.“ Vermeiden ließe sich das durch eine frühzeitige Kommunikation mit den bewilligenden Sachbearbeitern. Sein Rat: Wer sich nicht nur vorher, sondern entlang des gesamten Projekts mit dem Förderträger abstimmt, hat es bei der Dokumentation und Abrechnung leichter. Doch anders als früher würden die Beteiligten sich heute gar nicht mehr kennen. „Das macht den Antrag gerade für kleinere Unternehmen zu einer Blackbox.“ 

Vermeintliche Abhängigkeit: Die Annahme, Förderung sei vor allem etwas für Not leidende Betriebe, die sich dadurch in Abhängigkeit begäben, ist falsch. „Ganz im Gegenteil“, warnt Förderungsexperte Springub. „Firmen, gerade wenn es ihnen gut geht, in die Zukunft investieren und sich fördern lassen.“ Der Mittelstand habe die Möglichkeiten der Digitalisierung längst nicht ausgeschöpft. „Innovative Lösungen wie das Internet der Dinge oder künstliche Intelligenz setzen bisher nur eine Minderheit ein.“

Hausbank mit Eigeninteresse: Die meisten Förderkredite werden über die Hausbank an das Unternehmen durchgeleitet. Doch ein Förderbanker berichtet: „An dieser Stelle klemmt es gelegentlich. Dann bietet die Hausbank ihrem Kunden Finanzierungen zu ähnlich guten Konditionen an, um das Geschäft selbst zu machen.“ Das könne sich finanziell rechnen. Aber nicht strategisch: Damit kann auch der Zugang zu den sehr guten Netzwerken der Förderer versperrt sein.

Einen Schritt weiter geht Michael Woywode, Professor und Mittelstandsexperte der Universität Mannheim. „Die beste Förderpolitik auch für kleine und mittlerer Unternehmen wären verbesserte Rahmenbedingungen für ihre tägliche Arbeit.“ Die Politik sollte Steuern und Berichtspflichten vereinfachen, zu lange Bewilligungszeiträume beispielsweise für Baumaßnahmen verkürzen, Bürokratie ab- und mehr Forschungskooperationen aufbauen. Zudem müssten Politiker eindeutigere Leitlinien setzen, etwa zur Digitalisierung und Nachhaltigkeit. „Mehr Fördergeld allein bedeutet nicht, dass hinterher alles besser wird“, sagt der Experte.

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