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Finanzierung > Immobiliemarkt

Was gegen den Wertverlust von Gewerbeimmobilien hilft

Die Banken bremsen bei der Kreditvergabe. Ohne Sanierung fällt der Wert von Fabriken und Bürogebäuden. Die Preise sinken ohnehin. Worauf sich Firmen einstellen müssen.

Herausragende Architektur: Auf dem ehemaligen Gelände der Helioswerke in Köln-­Ehrenfeld steht ein Leuchtturm. Der Standort wird gerade umgebaut.© Superbass/Wikimedia Commons

Die fetten Jahre sind vorbei. Fast wöchentlich meldet ein Projektentwickler Insolvenz an und reißt vom Handwerker bis zum Investor alle mit sich. So bangen gerade rund 30.000 Anleger um 1,4 Milliarden Euro Kapital bei der bayerischen Project-Immobilien-Gruppe. Ist das der Anfang von Größerem? Platzt eine Blase mit dramatischen Folgen auch für Unternehmer? Schon jetzt wird es schwierig für Firmen, Geld für Neubauten oder Sanierung bei den Banken zu bekommen. Zudem droht der Wert einer Produktionshalle oder eines Bürogebäudes zu verfallen, wenn es nicht modernen Energiestandards entspricht – doch hier ­fehlen Vorgaben. 

Die Deutsche Bundesbank warnte vor vier Monaten vor einer Korrektur an den Immobilienmärkten im Euroraum. Die Preiskorrekturen liefen bislang geordnet. Aber: „Überhöhte Bewertungen, verschärfte Finanzierungsbedingungen und eine niedrigere Marktliquidität könnten das Risiko erhöhen, dass Korrekturen ungeordnet erfolgen.“ Es folgte auch ein Hieb gegen die Banken. „Es gibt bereits Anzeichen für eine Verschlechterung der Kreditqualität bei Gewerbeimmobilienkrediten. Banken müssen daher möglicherweise mehr Mittel zur Deckung von Verlusten und zur Steuerung ihrer Kreditrisiken zurückstellen.“

Die Kontrolleure der Bankenaufsicht der Europäischen Zentralbank beklagten zeitgleich unzureichende Kreditvergabestandards, Bewertungen von Sicherheiten und Überwachungsprozesse bei den Kreditinstituten. Besorgniserregend sei auch, dass viele dieser Probleme bereichsübergreifend über Gewerbeimmobilien hinausgingen. Das klingt wie Finanzkrise 2.0. Die Geldhäuser reagieren. Die Deutsche Bank, einer der größten privaten Immobilienfinanzierer, kündigte kurz vor den Hiobsbotschaften an, weniger Hypotheken ausgeben zu wollen. Womöglich zum falschen Moment, zumindest aus Sicht ihrer Kunden – Firmen wie Privatleuten. Schließlich brauchen sie Geld, etwa um energetisch zu sanieren.

Aber es wird für Unternehmen nicht nur teurer und schwieriger, Kredite für Gewerbeimmobilien aufzunehmen. Der sinkende Wert der Immobilien, vor allem solche mit Sanierungsstau, mindert die Bewertung nicht nur in der Bilanz, sondern auch als Sicherheit für neue Hypotheken. So fehlen Eigentümern, Käufern und Mietern derzeit Antworten auf mehrere Fragen: Was will die Politik? Wie entwickelt sich der Markt? Wann rechnet sich eine Sanierung? Und welche Alternativen gibt es?

Entscheidend für den künftigen Wert von Immobilien sind die Energieeffizienzvorgaben aus Brüssel und Berlin, die auf sich warten lassen. Der politische Handlungsbedarf ist in Zeiten unsicherer Energielieferungen und des Klimawandels mehr als offensichtlich. Die Zahlen sprechen für sich. 13 Prozent aller Gebäude in Deutschland beherbergen Gewerbe. Sie verschlingen 38 Prozent des Energiebedarfs und produzieren 47 Prozent der CO2-Emissionen des gesamten Gebäudebestands.

Trotz aller Ideen aus Berlin gibt es aber noch immer weder für Wohn- noch Gewerbeimmobilien und Immobilien der öffentlichen Hand harte Sanierungspflichten. Für Wohngebäude gibt es bisher lediglich Vorgaben bei der Modernisierung eines Hauses. Doch neue Pflichten werden kommen.

Im Rahmen der Verhandlungen zur europäischen Gebäuderichtlinie (EPBD) wird gerade darum gerungen, ob und wie Mindesteffizienzstandards für die energetisch schlechtesten Gebäude eingeführt werden können. Die Deutsche Unternehmensinitiative Energieeffizienz (Deneff) erwartet, dass die Einführung von Mindesteffizienzstandards für Gewerbeimmobilien sogar wahrscheinlicher ist als die für Wohngebäude. Die Niederlande könnten zum Vorbild werden. Schon 2018 kündigte deren Regierung an, dass von 2023 an Büroimmobilien mit einer Größe von mehr als 100 Quadratmetern die Energieeffizienzklasse C oder besser (etwa 255 kWh Energieverbrauch je Quadratmeter) erreichen müssen. Sonst drohen Vermietungsbeschränkungen. Steigende Anforderungen ab 2029 hat die Regierung schon in Aussicht gestellt. Für Deneff-Geschäftsführer Christian Noll ist das der richtige Weg. „Deutschland sollte sich an den Niederlanden orientieren und Mindesteffizienzstandards für die schlechtesten Gebäude einführen – auch im Hinblick auf EU-politische Vorgaben. Ohne diese Maßnahme sind die Klimaziele im Gebäudesektor kaum zu erreichen.“ Er fordert: „Gewerbeimmobilien und Gebäude der öffentlichen Hand müssen dabei eine Vorbildrolle spielen.“

Wer aussitzt statt saniert, hat schnell ein sogenanntes Stranded Asset, einen verwaisten Vermögenswert, in seinem Immobilienportfolio. Das geht selbst bei soliden Häusern und Hallen schneller, als der Maurer eine Wand hochzieht. Es reicht, wenn Baubehörden geplante Erweiterungen blockieren oder der Staat Zuschüsse streicht, sobald laufende Kosten langfristig die Erträge übersteigen. Oder in der Nachbarschaft werden neue Gebäude mit bester Energieeffizienz und kuscheligen Kommunikationsecken errichtet.

Mehr Wert dank Zertifikat

Geschickt gemacht und gefördert, rechnet sich der Sanierungsaufwand aber schnell. So lassen sich einer aktuellen Studie des Immobiliendienstleisters CBRE zufolge in energiezertifizierten Büroimmobilien sechs bis acht Prozent mehr Miete erzielen. Die Häuser werden 14 bis 16 Prozent höher bewertet als Gebäude ohne Zertifikat. Solche Immobilien verkaufen sich nicht nur besser. Sie polieren auch die Nachhaltigkeitsberichte ihrer Eigentümer oder Investoren auf. So würden etwa 67 Prozent der von CBRE befragten europäischen Investoren und Nutzer höhere Kaufpreise und Mieten zahlen, wenn das Gebäude die physische und geistige Gesundheit der Belegschaft verbessert.

Doch die Studienautoren warnen auch vor zu viel Euphorie bei vermeintlich grünen Gebäuden. „In der Praxis kann es schwierig sein, den Wertzuwachs für nachhaltige Gebäudeeigenschaften zu ermitteln. Womöglich ist es sinnvoller, Abschläge für das Fehlen nachhaltiger Gebäudeeigenschaften zu akzeptieren, als über Prämien für deren Vorhandensein nachzudenken.“ Die Prämien würden vermutlich ohnehin sinken, weil das Angebot an grünen Merkmalen zunimmt. Allein um eine Wertminderung zu vermeiden, seien kontinuierliche Investitionen nötig.

Was der Immobilienspezialist anhand von Statistiken und Umfragen landesweit ermittelt, erlebt die Maklerin Katja Brohl im Mikrokosmos Wuppertal vor Ort. Denn bei Gewerbeimmobilien geht es nicht nur um Industriegewerbe und Bürotürme, sondern eben auch um kleine Büros, Arztpraxen, Restaurants und Ladengeschäfte. „Viele Interessenten warten gerade ab“, fasst Brohl die Lage zusammen. „Büroflächen sind auch nach Corona wegen der Arbeit im Homeoffice weniger gefragt und im Einzelhandel stehen die Läden immer länger leer. Zudem wird zurzeit eher gemietet als gekauft.“

Wuppertal, schwer getroffen vom Bombardement im Zweiten Weltkrieg, ist heute gepflastert mit Immobilienbestand aus den 60er- und 70er-Jahren. Für die Eigentümer wird das zum Problem, nicht nur wegen hoher Sanierungskosten. Gefragt bei der selbstständigen Kundschaft Brohls sind jetzt drei bis fünf Jahre alte Immobilien oder gleich dreifachverglaste Neubauten mit Fußbodenheizung. „Das Problem für die Eigentümer wie für Kaufinteressenten ist, dass es für Gewerbeimmobilien noch immer keine klaren Sanierungsvorgaben gibt.“ Auch an der Wupper wartet man auf das Go von der Spree.

Solche städtischen Szenarien sind dem Gewerbemakler Jürgen Pfund vertraut. Von seinem Büro im baden-württembergischen Steinheim an der Murr aus begleitet er seit vielen Jahren die Entwicklung im Großraum Stuttgart. Pfund setzt auf die sogenannte Revitalisierung, wenn ein Gebäude erhalten bleiben soll, auch wenn sich energetisches Sanieren wegen der Bausubstanz oder mangelnder Nachfrage nicht mehr lohnt. Neue Nutzungskonzepte können die Immobilie nach einer sorgfältigen Standort- und Marktanalyse wieder wettbewerbsfähig machen.

Der erfahrene Makler ist ein realistischer Optimist. „Der Bauboom ist durch, und Käufer wie Verkäufer warten auch rund um Stuttgart noch wegen der steigenden Zinsen und Baukosten plus unklarer Gesetzeslage ab. Aber es gibt ein großes Potenzial von renditestarken Umbaumöglichkeiten“, erklärt er. So steige zum Beispiel die Nachfrage von Hotelbetreibern nach geeigneten Häusern für Apartments zur Vermietung für mehrere Monate. „Das ist eine interessante Option für den Umbau veralteter Bürogebäude mit vielen Einzelbüros. Die Kosten sind gut planbar, das Investment des Immobilieneigentümers ist überschaubar und gegenüber der Bank finanzierbar“, sagt Pfund.
Auch an anderer Stelle herrscht bundesweit Nachfrage. Nicht nur in Innenstädten wird vermehrt nach Platz und Raum für soziale Träger, Ärzte und Pflegeeinrichtungen gesucht. „Das kann mit einem umgebauten Erdgeschoss beginnen. Sind beispielsweise Einzelbüros in den oberen Stockwerken vorhanden, könnte sich daraus ein Angebot für Betreutes Wohnen entwickeln.“ Der Praktiker Pfund sieht guten Mutes auf das kommende Jahr: „Bis dahin werden sich die gesetzlichen Sanierungsvorgaben geklärt haben. Handwerker gibt es dann auch wieder.“

Stumpfes Betongold

In den vergangen fünf Jahren stieg das verwaltete Netto-Vermögen von Immobilienfonds in Deutschland von 182 Milliarden Euro auf 309 Milliarden Euro. In Zeiten niedriger Zinsen und steigender Immobilienbewertungen war das Geschäft fast ein Selbstläufer. Doch die Lage hat sich fundamental verändert. Anleger vertrauten den Fonds im ersten Halbjahr 2023 im Vergleich zum Vorjahr 60 Prozent weniger Kapital an. Das ganze Stimmungsbild zeigt diese Zahl noch nicht, denn Anleger können sich selbst aus offenen Immobilienfonds in der Regel erst nach einer einjährigen Kündigungsfrist zurückziehen. Und auch die Anbieter solcher Fonds – offen oder geschlossen – zögern.

Gut 40 Prozent aller Gewerbeimmobilien liegen in den Händen von Fonds. Viel mehr werden es so schnell nicht: Dem Analysehaus Scope zufolge ließ die deutsche Finanzaufsicht Bafin nur neun Fonds mit einem Emissionsvolumen von 276 Millionen Euro in Deutschland zum Vertrieb zu. Das geplante Eigenkapitalvolumen war damit nicht einmal halb so hoch wie im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Außer am attraktiver gewordenen Zinsumfeld liegt das demnach auch an der Sorge vor möglichen Mieterinsolvenzen.

Und jetzt? Neue Transaktionen muss man derzeit suchen. Experten gehen von fallenden, bestenfalls stagnierenden Renditen im kommenden Jahr aus. Bleiben die Preise für Bürogebäude und Einkaufscenter dauerhaft um bis zu 30 Prozent niedriger, muss der Bestand im Fonds abgewertet werden. So rechnet der Versicherer Swiss Life frühestens 2024 damit, dass sich die Renditen der offenen Fonds wieder der Inflationsrate annähern. Schon das wäre eine Leistung. Die Bundesbank rechnet für 2024 mit einer Inflationsrate von 3,1 Prozent. Scope befragte Fondsmanager nach deren Einschätzung. Die höchsten Abwertungsrisiken sehen sie bei Fonds mit Büroimmobilien in B-Lagen und schlechter, bei Shoppingcentern rechnen sie mit hohen bis sehr hohen Abwertungen, den geringsten Preisrückgang bei Nahversorgungsimmobilien. Gefragt bleiben Wohnimmobilien. Auch da kommt es auf die Lage an: Hoch im Kurs bei den internationalen Fondsmanagern stehen Deutschland und die Beneluxstaaten.

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