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Management > Streit im Berufsalltag

Warum Konflikte ein Gewinn sind

Die meisten Führungskräfte mögen keinen Streit im Team. Dabei sind Konflikte essenziell für Innovationskraft. Doch man muss geschickt damit umgehen. Ein Leitfaden, wie kluge Führungskräfte die Kraft des Konflikts nutzen, statt Rechthaberei zuzulassen.

Konflikte
Volle Lautstärke: Wer Konflikte austrägt, gibt dem Arbeitsverhältnis immerhin noch eine Chance. Sonst würde Schweigen herrschen. Bild: pathdoc/Shutterstock.com

Choose your battles wisley – wähle deine Kämpfe bewusst aus: Was im Berufsleben gilt, ist im Umgang mit Kindern praktisch ein Überlebensprinzip. Je nach Charakter der Kleinen drohen sekündlich Begeisterung, Tränen, Streit, Wut. Konflikte sind unvermeidlich, Alltag. Eltern kennen verschiedene Tricks, um Streit gar nicht erst entstehen zu lassen. Und wenn das mal nicht klappt, wissen sie, was deeskaliert. Im Berufsleben tun wir uns deutlich schwerer damit. Hier werden Konflikte als Ausnahme wahrgenommen, als unschön. Sie gelten als negativ – für den Management-Guru Reinhard K. Sprenger, der sich intensiv mit dem Thema beschäftigt hat, ist das ein schwerer Fehler.

„Wer fragt, wie man im Betrieb Zusammenhalt schafft, ist über die Antwort auf überrascht: Der Konflikt ist die Lösung!“, sagt der renommierte Unternehmensberater und ehemalige Topmanager. „Er spaltet nur scheinbar, in Wirklichkeit fügt er zusammen.“ Und: „In Konflikte gehen Sie nur in der Erwartung einer gemeinsamen Zukunft. Keine Konflikte zu haben, ist eben kein Zeichen von Stabilität.“ Streit halte Menschen in einem Unternehmen zusammen.

Wer Konflikte nutzen will für Innovation, Veränderung und frische Ideen, der muss als Erstes seine Perspektive ändern: Konflikt ist der Normalfall, Harmonie äußerst selten und in der Regel künstlich herbeigeführt. Jede Verhandlung ist per se konfliktär. Denn Menschen haben unterschiedliche Ziele und Absichten. Das Glück der Einzelnen hängt von Erwartungen ab, nicht von objektiven Umständen. Und: Es kann zwischen Menschen keine rein sachliche, vernunftbasierte Diskussion geben. Schließlich bewerten wir alles, haben Vorwissen und vor allem Vorurteile, auch wenn wir es nicht glauben. Dass heutzutage immer mehr unterschiedliche Kulturen zusammenarbeiten und der Kundenstamm internationaler geworden ist, macht diesen Punkt umso wichtiger.

Entsprechend logisch ist es auch, sich im Falle eines Streits nicht als Konfliktopfer zu betrachten, sondern als Partner. Es geht nicht darum, zu gewinnen, sondern dass beide gewinnbringend aus der Nummer herauskommen. Wer sich im Zoo anschaut, wie Menschenaffen ihren Hader austragen, wird feststellen: Nach dessen Ende jubelt kein Tier. Die Gewinner nehmen sich zurück. „Wenn Sie Konflikte als Gewinner-Verlierer-Modell spielen, wollen Sie gewinnen. Und haben damit verloren – nämlich den Verlierer“, erklärt Sprenger. Erst recht, wenn es auch darum geht, vor anderen gut dazustehen.

Idealerweise hat eine Führungskraft ohnehin andere Wünsche als die Mitarbeiter, dann gibt es auch weniger Streit um dieselbe Sache. Konflikte schaffen Energie. „Reibung erzeugt Wärme“, nennt es der Volksmund. Plötzlich werden Langweiler zu Raketen. Man findet heraus, was der andere wirklich will. Die logische Schlussfolgerung für eine Führungskraft lautet für Sprenger: „Sie sollte Konflikte nicht zudecken und beenden, sondern aufdecken oder gar anfachen.“

Eltern sind Profis

Das heißt nicht, dass alle Konflikte nötig sind. Im Gegenteil besteht die Kunst darin, genau auszuwählen, welche geführt werden sollten und welche nicht. Eltern sind hier Profis: Gerade bei impulsiven Kindern ist es praktisch unmöglich, jede Diskussion zu führen. Auch wer in engem Kundenkontakt steht, weiß, wie man Konflikte vermeidet, bevor sie entstehen. Flugbegleiter erklären Regeln vernünftig und stets sachlich – und zwar, bevor gegen sie verstoßen wird. „Erinnern hilft“, so das Motto.

Wenn das Gegenüber beleidigend wird, passen Ich-Botschaften. Hier hilft auch die sogenannte Harvard-Methode weiter, die besagt, den Mensch vom Konflikt zu trennen. Denn das Sachproblem und Persönliches werden allzu oft vermischt. Also gilt: Um Interessen verhandeln, nicht Positionen, stets die beste Option für beide Seiten anstreben, nicht nur die eigene. Und möglichst objektiv bleiben. Dass Empathie hilft, ist offensichtlich.

Auch Führungskräfte sollten bewusst steuern, worüber es sich lohnt, im Team zu diskutieren, und wie das genau abläuft. Notwendige Konflikte beginnen da, wo Toleranz verantwortungslos wäre: wenn ein Prinzip verletzt und es gefährlich wird oder das Wohl anderer leidet. Oder wenn die Selbstachtung eines Teammitglieds auf dem Spiel steht. Dann darf es vom Chef oder der Chefin keine Zurückhaltung geben, die als schweigende Zustimmung gewertet werden könnte. „Jede Organisation stirbt an der Gleichgültigkeit gegenüber den Prinzipien, die sie begründen“, sagt Sprenger. Dagegen erkennt eine Führungskraft die unnötigen Konflikte oft daran, dass sie regelmäßig auftreten, stets kurz aufflackern, um dann rasch wieder zu verlöschen.

Wer führt, muss entscheiden und damit auch Konflikte beenden. In der Regel achten die Beteiligten auf das, wofür sich die Führungskraft entschieden hat. Diese sollte aber auch immer einen Blick darauf haben, wogegen sie votiert, denn das ist oft die Startrampe für weitere Konflikte. Trotzdem lassen sich Widersprüche im eigenen Handeln nicht ausschließen. Ambiguitätstoleranz heißt die Fähigkeit, mit Widersprüchen – auch seinen eigenen – umgehen zu können. Sprenger versucht, den Mittelweg so zu beschreiben: „Balancieren ist eine Notwendigkeit, Balance eine Illusion.“ Mitarbeiter kooperieren nicht nur, sie konkurrieren auch miteinander. Nachhaltigkeit und Effizienz können nur selten gleichzeitig erreicht werden. Wer mit seinen eigenen Widersprüchen nicht umgehen kann, kann auch solche Ambivalenzen nicht managen.

Wie sollte eine Führungskraft mit denen umgehen, die unter dem Mantel der Authentizität unhöflich handeln oder rücksichtslos sind? Sprenger hält von Pseudoehrlichkeit nicht viel im beruflichen Bereich: „Nur Tiere sind authentisch, Menschen spielen Rollen in sozialen Kontexten.“ Sprache spielt dabei eine wichtige Rolle: Wer „Probleme“ stets „Herausforderungen“ nennt und „aber“ verbietet, weil „wohlgleich“ nicht so nach Widerspruch klingt – der tut sich und der Organisation keinen Gefallen. Kritische Fragen zu beantworten mit Worthülsen vom „Weg in die richtige Richtung“, den man natürlich „gut aufgestellt“ im „vertrauensvollen Umgang“ geht, wird dem Geschäftsleben mit all seinen Widersprüchen und Gegensätzen nicht gerecht.

Führung ist immer Führung im Dilemma. Ein Mittel: Wer ein Team frisch übernimmt oder wenn neue Mitarbeiter eingestellt werden, könnte eine Führungskraft jede und jeden darum bitten, drei Dinge aufzuschreiben, die möglichst nicht zwischen ihnen passieren sollen. Dann kennt man die Erwartungen der anderen, seine eigenen sowieso und kann die Schnittmenge definieren. Schließlich „gibt es keine Sachkonflikte, nur Beziehungskonflikte“, wie Sprenger glaubt. Die Bewältigung von Streit sei eben keine Frage der Technik, des Argumentierens über ein Sachthema, sondern eine Frage der gewollten Beziehung. Ein Chef sollte nicht krampfhaft versuchen, einen Konsens herzustellen, sondern den Streit so zu moderieren, dass ein gutes Weitermachen zwischen den Beteiligten gewährleistet ist. Das geht nur, wenn sich beide Seiten annähern wollen. Manchmal braucht es dafür Geduld: die berühmte Nacht, die man vor der Beantwortung einer E-Mail schlafen sollte, um nicht zu emotional zu sein. Überhaupt gilt bei der E-Mail die einfache Wahrheit, dass dieses Instrument zum Informieren ideal ist, nicht zum Diskutieren. Aber das weiß ja eigentlich jedes Kind.

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